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Mental Load – ein Thema, das (nicht nur) Frauen angeht

Mental Load – ein Thema, das (nicht nur) Frauen angeht
Foto: Richard Marschik
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  • Veröffentlicht: 16.10.2025
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Muss ich wirklich immer alles schaffen? Um diese Frage ging es am 15. Oktober im Hollabrunner Stadtsaal mit unserer Veranstaltungsreihe zum Thema Mental Load.

Manchmal sprechen Zahlen für sich. Zum Beispiel dann, wenn es um Mental Load geht. Einer Umfrage aus dem Jahr 2023 zufolge sind nur 16 Prozent der Mütter in Österreich mit der Aufteilung von Aufgaben zwischen ihnen und ihrem Partner zufrieden, mehr als zwei Drittel der anfallenden Aufgaben werden nach wie vor von Frauen erledigt. Es sind Zahlen wie diese, mit denen „Welt der Frauen“-Moderatorin Birgit Brunsteiner am 15. Oktober im Hollabrunner Stadtsaal in den Abend startet – und zunächst für raumfüllendes Schweigen im nahezu vollen Veranstaltungsraum sorgt. Etwa 250 Besucherinnen – das Gendern ist in dem Fall kaum notwendig – sind gekommen, um zu lernen, wie sie einem unserer größten gemeinsamen Herausforderungen begegnen können: Mental Load.

Gastgeberin Christiane Teschl-Hofmeister startet das Plenum mit einem klaren Auftrag an das Publikum: Sprechen Sie mit Ihrem Partner, wenn Sie sich überlastet fühlen. „Manchmal soll das offene Gespräch tatsächlich noch etwas bewirken“, sagt Niederösterreichs Landesrätin für Frauen. Grundsätzlich gehe es im öffentlichen Diskurs aber vor allem um Awareness. Mehr Aufmerksamkeit für das Thema Mental Load und die Benennung des Themas würden helfen, die Hürden zu verringern. Ein Auftrag, für den dieser Abend ein Anfang sein kann. So jedenfalls die Einladung an alle Frauen, die aus der gesamten Region gekommen sind.

„Wenn zwei etwas tragen, ist es leichter.“

Schwer, das soll der Abend aber keinesfalls werden. Dafür sorgt Sängerin und Schauspielerin Katharina Straßer mit einer ganz eigenen Version der österreichischen Romanze, auf den ein intimer Einblick in ihr Leben als zweifache alleinerziehende Mutter und Bühnenkünstlerin folgt, in dem es nicht nur um Würmer, Speiben und andere kleine Krisen des Alltags geht, sondern auch um ihre Lehren der letzten Jahre. Ihr Rat, wenn es um Mental Load geht: Seine eigenen Grenzen kennen – und akzeptieren, dass man auch mal nicht performen kann.

Wie wichtig es ist, sich die Aufgaben in einer Partnerschaft gerecht aufzuteilen, weiß Erich Lehner. Der Psychotherapeut und Männerforscher erklärt in seinem Impulsvortrag, dass es zwar viel Arbeit sei, echte Fairness in einer Beziehung zu erreichen, es sich aber lohne: „Mental Load kann man nicht vermeiden“, sagte er, „aber man kann ihn aufteilen: Wenn zwei etwas tragen, ist es leichter.“ Frauen sollten dafür nicht alles delegieren, sondern den Mann auch mal machen lassen – und Männer öfter mitdenken.

Die Kunst, sich selbst nicht zu verlieren

Aber was, wenn mir der Mental Load über den Kopf wächst und ich aus dem Strudel nicht mehr herauskomme? Dann können Frauenberatungsstellen wie Wendepunkt helfen. Psychologin Elisabeth Cinatl ist Leiterin einer solchen Hilfsstelle und hat oft Frauen vor sich sitzen, die zu lange die Mental-Load-Mühle betätigt haben. Bis sie sie aus der Bahn geworfen hat. „Die Warnsignale wie Müdigkeit, Erschöpfung und Interessenverlust werden leider oft hingenommen, bis gar nichts mehr geht“, sagt sie im Gespräch mit Moderatorin Birgit Brunsteiner. Was dann hilft? „Kleine Schritte. Einfach mal versuchen, nicht alles direkt zu regeln – und schauen, was passiert“, rät die Expertin.

„Wenn man delegiert, dann sollte man akzeptieren, was dabei herauskommt und nicht erwarten, dass das Ergebnis genauso ist, wie man es sich vorgestellt hat“, ergänzt Christiane Feigl, Gesamtverantwortliche von Welt der Frauen in der Abschlussrunde. Mental Load gehört für uns alle zum Leben dazu, es sei keine Krankheit – sondern etwas, mit dem wir einen guten Umgang finden sollten. „Ich habe gelernt, mir selbst einzugestehen, wenn meine Energie sinkt und ich eine Pause brauche. Wir alle haben ein Recht auf Erleichterung, wenn wir sie brauchen.“

Die Botschafterin der Katholischen Frauenbewegung St. Pölten, Anna Rosenberger, ergänzt ihre Vorrednerin um einen weiteren wertvollen Tipp: „Wir dürfen nicht aufhören, uns selbst wahrzunehmen – mit all unseren Bedürfnissen und Werten. Das ist die Grundlage dafür, dass wir anderen helfen können.“ Was an diesem Abend besonders spürbar war, war die Gemeinschaft, die entsteht, wenn sich Frauen gemeinsam einer Sache annehmen. Vielleicht lässt sich darauf ja aufbauen – und wenn man mal wieder an alles denken muss, kommt eine kleine Erinnerung daran zurück, dass man damit zumindest nicht alleine ist.

Leonie Zimmermann

Chefredakteurin Digital

In Deutschland 1993 geboren und aufgewachsen, nach dem Journalistik-Studium, einer Selbstständigkeit und mehreren Stationen in deutschen Medienhäusern, darunter das RedaktionsNetzwerk Deutschland und das Wochenmagazin stern, seit März als Chefredakteurin digital für Welt der Frauen tätig. Faible für Psychologie, Reisen, Feminismus – und die digitale Welt.

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Foto: Barbara Aichinger


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