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03/24

„Ich war ein schreckliches Mädchen“

Mit „lieblich“, „brav“ und „nett“ hatten sie nichts am Hut. Sie waren unbequeme Mädchen, haben sich gegen das starre Elternhaus aufgelehnt, traditionelle Strukturen durchbrochen und sich ihre Freiheit erkämpft – jede auf ihre Weise.

Sie sollten nett, hübsch, hilfsbereit, fleißig in Schule und Hausarbeit sein. Den elterlichen Betrieb übernehmen, den Beruf lernen, den die Eltern als richtig sahen. Und sich natürlich an den Satz halten: „So was tut man als Mädchen nicht!“ Doch was, wenn die Antwort des lieben und braven weiblichen Nachkommen plötzlich lautet: „Warum nicht?“ Ein Reiben an starren Rollenbildern, ein Auflehnen gegen festgefahrene Strukturen. Noch vor 30 Jahren galten solche jungen Frauen, die plötzlich Kanten zeigten, als unbequem, schrecklich und lästig. Von den Eltern gab es dafür wenig Verständnis. Mutter und Vater waren früher Repräsentanten der traditionellen Ordnung. Sie waren die Exekutive, die die traditionellen Rollenerwartungen an die Mädchen herantrugen. Ein Eingehen auf individuelle Wünsche, Talente oder Träume war kaum möglich. Daher blieb vielen jungen Frauen, die aus diesen starren Geschlechterrollen ausbrechen wollten, meist nichts anderes übrig, als zu provozieren, ein Zeichen zu setzen. „Das ging damals fast nur, indem man von zu Hause auszog und einen radikalen Weg wählte, damit die Eltern es auch verstanden. Das hatte einen sehr starken symbolischen Charakter. Man wagte ein Experiment“, sagt Dr.in Beate Großegger. Sie ist wissenschaftliche Leiterin des Institutes für Jugendkulturforschung in Wien.

FRAUEN MIT ECKEN UND KANTEN
Sie weiß aus eigener Erfahrung, wovon sie redet. Die heute 46-Jährige war in ihren Jugendjahren als „Frust-Punk“ unterwegs. Meist schwarz gekleidet, in Hemden und Sakkos des Vaters. „Das war mein Protest. Solch kantige Frauenbiografien sind heute nur mehr selten anzutreffen.“ Warum auch? Denn die Vorgaben der Eltern sind heute vergleichsweise eher schwach. Eltern reagieren großteils verständnisvoll auf die verschiedenen Entwicklungsschübe ihrer Kinder. Sie geben ihnen Spielraum und lassen Selbstverwirklichung zu. „Früher war der Generationenkonflikt innerhalb der Familie auch politisch, im weiteren Sinne gesellschaftspolitisch. Diesen Konflikt gibt es heute nicht mehr. Wenn es in einer Familie Spannungen gibt, dann auf keinen Fall aus politischen Gründen“, sagt Großegger.

EIN KURZER BLICK WEIT ZURÜCK
Wie war das Mädchenbild eigentlich lange vor der Zeit, als sich Töchter wagten, konservative Strukturen zu hinterfragen? Im Spätmittelalter (12. bis 15. Jahrhundert) galt die Frau noch als Eigentum des Mannes. Dem Vater war es gestattet, seine Tochter zu verehelichen oder zu verkaufen. In Zeiten der Reformation (16. Jahrhundert) unterstanden alle Haushaltsmitglieder, wie Ehefrau, Kinder und Gesinde dem Mann. Er war Herr der Familie. „Wenn sie (die Frauen) aber außer der Haushaltung reden, so taugen sie nichts“, schrieb damals der Reformator Martin Luther. Zur Zeit der Aufklärung (18. Jahrhundert) stand Mädchen keine Bildung zu. „Ein Schöngeist ist eine Geißel für ihren Mann, ihre Kinder, ihre Freunde, ihre Diener, für alle Zeit“, ließ der Philosoph Jean-Jacques Rousseau verlauten. Zur gleichen Zeit forderte die Revolutionärin Olympe de Gouges gleiche Rechte für Mann und Frau, worauf sie hingerichtet wurde. Höhere Töchterschulen für die weibliche Jugend entstanden während der Industrialisierung (19. Jahrhundert). Aber nicht, um Bildung zu vermitteln, sondern zur Vorbereitung auf häusliche Wirtschaftsführung, Konversation und musische Betätigung.

WARUM KÄMPFEN?
Heute ist Bildung und das Verwirklichen von Lebensplänen für Mädchen und junge Frauen eine Selbstverständlichkeit. Das Institut für Jugendkulturforschung hat kürzlich im Rahmen einer österreichweiten Studie an 16- bis 29-jährige Frauen die Frage gestellt: „Was versteht ihr unter einer modernen jungen Frau?“ Am häufigsten wurde geantwortet, dass man als junge Frau „selbstbestimmt“ sein möchte. Gefolgt von „eigenständig“ und „beruflich selbstständig“. Begriffe, wie „unabhängig“ und „emanzipiert“, die wahrscheinlich ihre Mütter verwendet hätten, kamen kaum vor. „Viele junge Frauen sehen, dass sie es im Alltag vergleichsweise problemlos haben. Es gibt in manchen Bereichen nicht mehr den großen Anlass, zu kämpfen. Sie sind die Erbinnen der feministischen Müttergeneration. Sie können mit deren Grundhaltung nicht mehr viel anfangen, können das Umfeld, aus dem diese kämpferische Haltung entstanden ist, nicht nachvollziehen.“

SPÄTE SCHRECKLICHE MÄDCHEN
Mit Frauen, die etwas später in sich das „schreckliche“ Mädchen suchen und finden wollen, hat Edeltraud Haischberger in ihren Seminaren zu tun. Sie hat ihre Erfahrungen in ihrem Anti-Hascherl-Buch „Frau, stell dich auf die Füße!“ zusammengefasst und gibt darin Tipps, wie Frauen es doch noch schaffen können, aus jenem starren Gerüst auszubrechen, das ihnen in ihren jungen Jahren vermittelt wurde (Auszüge aus dem Buch auf Seite 18). Die 62-Jährige bezeichnet sich selbst nicht als schreckliches, aber als widerspenstiges Mädchen. Von ihrem Vater hat sie oft die Worte gehört: „Du bist so ein Widerpart, mit dir kann man nicht.“ (Spruch aus dem Salzkammergut) „Dieser Satz hat mich aufgestachelt. Ich glaube, ich bin mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein zur Welt gekommen. Ich hätte Bauernhof und Mietshaus meiner Eltern übernehmen sollen, bin aber mit 18 Jahren ausgezogen und nach Salzburg gegangen. Das hat meinem Vater sehr wehgetan. Aber ich hab mich abgenabelt, war damit zufrieden und im Einklang mit mir selbst.“

STÄRKE ODER BEWEISENWOLLEN?
Edeltraud Haischberger hat unterschiedliche Erfahrungen mit „schrecklichen“ Mädchen, die inzwischen erwachsene Frauen sind, gemacht. „Es gibt viele, die durch diesen Absprung Stärke bekommen. Und dann gibt es die, die etwas beweisen wollen. Die allen Ehrgeiz dafür einsetzen, um zu zeigen, etwas wert zu sein. Das hat dann nichts mit innerer Sicherheit zu tun. Da braucht es wieder Arbeit, bis sie bei sich ankommen.“ Bei dieser Arbeit gilt es, Muster, die in der Kindheit eingeprägt wurden, zu durchbrechen. „Früher stand das Brave, das Funktionieren im Vordergrund. Viele Frauen funktionieren bis heute. Sie haben bis ins hohe Alter nicht nachgedacht, was sie für sich selbst machen können.“ Auf die Frage „Was ist Ihr größter Wunsch?“ fällt vielen spontan „Gesundheit für die Familie“ ein. Aber nichts für sich selbst. „Ich hatte eine Seminarteilnehmerin, die 75 Jahre alt war. Sie hatte zu Hause einen großen Garten und immer viel Arbeit. Sie erzählte, noch nie in ihrem Leben einmal in ihrem Garten nur auf einer Liege in der Sonne gelegen zu haben. Sie musste lernen, sich das zu gönnen.“ Hier setzt Haischberger bei ihrer Arbeit an. Es wird danach gesucht, was Freude im Leben macht. „Mit der Freude kommt das Wagnis. Und mit dem Wagnis der Mut.“

KANTEN KOMMEN FRÜHER ODER SPÄTER
Mut, Wagnis und Kanten vermisst Beate Großegger bei den jungen Frauen von heute. Doch diese sind auch gefordert – auf eine andere Weise. „Das Gefühl, frei wählen zu können, ist in den Köpfen der Mädchen stark verankert. Dieses Gefühl hindert sie daran, Gesellschaft verändern und reformieren zu wollen. Doch spätestens beim Berufseinstieg kommt dann das große Aha-Erlebnis. Dann erkennen sie, wie knallhart die Realität funktioniert.“ Dass Männer in Führungspositionen unter sich bleiben oder bei gleicher Qualifikation mehr verdienen. Während es bei Chefs reicht, Entscheidungen tough zu treffen, wird von einer Chefin zudem soziales Einfühlungsvermögen und Beziehungskompetenz verlangt – sonst kommt sie in die Rolle der bösen Emanze. Und es wird die Erkenntnis gewonnen, dass es in Österreich noch immer so ist, dass Frauen in Karenz gehen und der Wiedereinstieg nach der Babypause schwierig ist. „Junge Frauen beginnen heute erst mit 30 Jahren, genauer hinzusehen. Dann fangen sie an, die Rollen aufzubrechen“, sagt Großegger.

In mir sah es schrecklich aus

„Credendo vides“ hat Felizitas Auersperg groß auf ihrem Unterarm tätowiert. Übersetzt bedeutet es: „Glaubend wirst du sehen“. „Du siehst nur das, woran du glaubst. Ich sehe die Freiheit. Meine Mutter sieht den Glauben“, sagt die 38-Jährige. Zwei Worte aus dem Lateinischen – zwei Welten. Und dazwischen viel Reibefläche. Die Designerin wurde von ihrer Mutter streng nach griechisch-orthodoxen Werten erzogen. „Sachen wurden gemacht, aber nicht hinterfragt. Das hat mich wütend gemacht.“ Dazu kam, dass sie eine römisch-katholische Klosterschule besuchen musste. „Ich wurde von Nonnen unterrichtet. Überall waren Kreuze mit diesem armen Mann darauf. Ich hatte so viele Fragen. Warum soll ich als Frau unrein sein? Warum habe ich eine Erbsünde? Ich bekam keine Antworten. Ich fühlte mich wie Alice im Wunderland.“ Sie sehnte sich nach einem Pippi-Langstrumpf-Leben. Und schließlich wandelte sich die kleine Alice zur Pippi. Mit 16 Jahren wollte sie aus der orthodoxen Gemeinschaft austreten. „Es folgte die Drohung, dass meine Mutter dann ausgestoßen würde.“ Felizitas Auersperg ist nicht ausgetreten, hat aber mit dem Glauben gebrochen. Der Besuch des katholischen Gymnasiums wurde unerträglich. „Ich war gefangen in einem Doktrinenkäfig. Das hat mich innerlich zerfressen. Es gibt kaum Kinderfotos, auf denen ich lache.“ Sie wechselte in eine HTL für Textildesign – umgeben von Freidenkern. „Das war wie im Himmel.“ Zu Hause folgten Schreiduelle. Als es immer heftiger wurde, zog sie mit 17 Jahren in eine kleine Wohnung. „Ich habe mir mein Leben selbst finanziert. Und mir mein erstes Tattoo machen lassen.“ Inzwischen haben sich Tochter und Mutter wieder angenähert. Diskussionen über Lebensführung und Wertvorstellungen gibt es aber nach wie vor.

Im Kopf war ich immer wild

Monika Krautgartner (51), Schriftstellerin

„Das kann man doch als Frau nicht machen!“ Wenn Monika Krautgartner diesen oder ähnliche Sätze hörte, kam ihr gefürchtetes „Warum nicht?“. „Damit habe ich provoziert, andere Leute vorgeführt. Denn ich habe mir selber immer alles erlaubt.“ Vor allem an Autoritätspersonen rieb sie sich schwer. Und an jenen, die sie in etwas zwingen wollten. „Meine Eltern waren nicht mein Reibebaum. Wir waren eine Großfamilie, da musste ich mich irgendwie anpassen, das ging nicht anders.“ In den Schulen gab es dann viel Fläche zum Reiben. „Einmal hätte ich im Hauswirtschaftsunterricht bügeln sollen. Das wollte ich nicht. Also bin ich aus dem Fenster geklettert und hab mit den Buben draußen eine Zigarette geraucht. Ich war nicht zu erschrecken und nicht einzuschüchtern. Ich wusste, es kann mir nichts passieren, denn ich war in mir selbst sehr stark.“ Sie kam mit schwarzen Lippen zum Unterricht, toupierte ihrer Freundin während der Stunde die Haare. „Noch heute redet man von mir in den Schulen, die ich besucht habe.“ Wild war die inzwischen zweifache Mutter schon als kleines Mädchen. „Im Kopf habe ich mir immer wilde Abenteuer ausgedacht, aber im Volksschulalter noch nicht ausgelebt. Da hatte ich noch den Starbonus. Ich war mollig, süß, brav und strebsam.“ Mit zwölf Jahren raufte sie noch mit Buben, kletterte auf Bäume. Und dann begann das Infragestellen gesellschaftlicher Normen – und zwar laut und schrill. „Ich bin auch heute weder beeinflussbar noch beeindruckbar. Ich lebe nach meinen Werten, und es ist mir egal, wenn mich die Leute für verrückt halten.“ Ihre Selbstbeschreibung? „Monika – der letzte Freak auf Erden.“

Leo war mein Los in die Freiheit

Sabine Schreckeneder (56), freischaffende Künstlerin

Ihr Lebensweg sollte ein sicherer sein: den elterlichen Malerbetrieb übernehmen, in der Nähe sesshaft werden. Doch dieser Lebensplan, den die Eltern für Sabine Schreckeneder hatten, war nicht der ihre. Schon als Mädchen schlug sie Haken. „Vielleicht auch, weil mich meine Großmutter faszinierte. Die Mutter meines Vaters war eine unangepasste Frau, lebte als Außenseiterin mit der Natur, war völlig autonom.“ Und so lieferte sie sich heftige Kämpfe. „Ich wollte keine Lehre machen, sondern Keramik und Grafik studieren. Das durfte ich nicht.“ Ihr Los für ihre Freiheit hieß Leo. Mit 18 Jahren heiratete sie ihn. Sie aus einem konservativen Elternhaus, er ohne religiöses Bekenntnis und politisch links angesiedelt. „Das war ein Befreiungsschlag.“ Bei ihrer Hochzeit weinte ihr Vater bitterlich. „Meine Eltern haben die inneren Rollläden runtergefahren, haben mein Leben nicht verstanden.“ Der Ausbruch aus den Strukturen war gelungen. Und es war ein Aufbruch zur Suche nach sich selbst. Denn ihre Zwillingsschwester Christine und sie wurden immer mit einem Namen gerufen – „Monal“. Zudem wurden ihr schon als Kind viele Unsicherheiten suggeriert: „Pass auf“, „Das kannst du nicht“, „Das schaffst du nicht“. Mit Leo und einem eigenen Auto wurde die Welt erobert. „Wir sind einfach ins Auto gestiegen und losgefahren. Das Reisen hat für mich bis heute eine wichtige Bedeutung. Das hat mich selbstsicher gemacht.“ Die Stationen in ihrem Leben, immer getragen von dem inneren Bedürfnis, zu malen, führten sie bis nach Berlin. „Ich war mehrmals verheiratet, habe eine Tochter. Ich bin in meinem Leben nicht reich geworden, aber ich war immer unabhängig. Meine Eltern entwickeln erst jetzt langsam Verständnis für meinen Weg.“

Ich war unerträglich

Doris Huber (47), Religions-Professorin

Kurz vor ihrer Matura hat Doris Huber mit 17 Jahren ihrer Familie, die in Wien lebte, offenbart, sie werde ins Kloster eintreten. Und zwar zur Gemeinschaft der „Schwestern der Jüngersuche“. Diese hatte sie kurz zuvor kennen gelernt. Zu einem Zeitpunkt der totalen Sinnkrise. Sie war fasziniert von dem Zusammenhalt der jungen Menschen, vom sozialen Engagement, den gemeinsamen Unternehmungen, von der Spiritualität, von den lebendigen Gottesdiensten. „Es war für mich eine neue Welt, denn Glaube hat in unserer Familie keine große Rolle gespielt.“ Daher waren die Eltern entsetzt von dem Vorhaben ihrer Tochter. Nach der Matura machten die Eltern den Versuch, Doris Huber zum Studium nach Graz zu schicken. Weg von der Glaubens-Gemeinschaft. Doch der Versuch scheiterte. Sie wartete ihren 19. Geburtstag ab und ging ins Kloster. „Ich war suchend. Nach dem Sinn des Lebens. Und ich war eine religiöse Analphabetin. Im Nachhinein gesehen, entwickelte ich damals das Bewusstsein, ein christliches Leben führen zu wollen. Ich habe aber geglaubt, ins Kloster gehen zu müssen.“ Heute weiß sie, dass sie für ihre Familie sicher eine Prüfung war. „Ich war unerträglich, wollte immer alle bekehren. Und ich war unmöglich angezogen – weite Röcke, Socken in Sandalen. Dazu kamen Franziskus-Phasen, in denen ich alles hergeschenkt habe.“ Nach sieben Jahren im Kloster, in denen sie mit ihrem kritischen Geist oft angeeckt ist, trat sie schließlich wieder aus. Inzwischen ist die 47-Jährige verheiratet und hat drei Kinder. „Ich habe einen lebendigen Glauben kennen gelernt und das sehe ich als Geschenk.“

Ich fühlte mich ungenügend für diese Welt

Susanne Viertbauer (31), Papiermacherin, Studentin

„Ich habe alles ausprobiert. Ich interessierte mich für die rechte Szene, hatte fürchterliche Frisuren, war extrem geschminkt, trank viel Alkohol, versuchte Drogen.“ Susanne Viertbauer ist in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Mutter und Vater arbeiteten hart. Zwischen den Eltern gab es heftige Spannungen. Die beiden Töchter wurden von der Mutter streng erzogen, der Vater war kaum anwesend. Volksschule, Gymnasium. Doch dann mit 15 Jahren begann die heute 31-Jährige auszubrechen. „Ich provozierte meine Mutter, schlich mich von zu Hause weg, schwänzte die Schule, ließ mir Piercings und Tattoos machen.“ An ihrem 17 Geburtstag der erste Selbstmordversuch. „Ich hatte das Gefühl, nichts wert zu sein. Da hab ich mich zum ersten Mal aufgeritzt.“ Es folgte ein Selbstzerstörungs-Tripp. Hilfsarbeiten, Alkohol-Exzesse, und immer wieder Selbstmordversuche. „Das war wie eine „Reset“-Taste drücken. Nach dem Aufschneiden der Pulsadern war es wie ein Neuanfang.“ Mutter und Schwester standen ihr zur Seite. Mit 21 Jahren schluckte sie 200 Tabletten – fast ein Todesurteil. „Eine schreckliche Erfahrung. Vor meinem inneren Auge sind Menschen aus meinem Leben aufgetaucht, die mich ausgelacht haben. Von da an wusste ich, das möchte ich nie wieder erleben.“ Sie machte im Wagner Jauregg-Krankenhaus einen Intelligenztest, der einen hohen Wert ergeben hat. „Ich war stolz auf mich und hatte das Gefühl, keine Verliererin zu sein. Vorher fühlte mich ungenügend für diese Welt. Das passte eigentlich gar nicht, denn meine Mutter hatte uns nicht dazu erzogen. Sie wollte, dass aus uns etwas wird.“ Es folgten eine Lehre, die Berufsreifeprüfung und schließlich ein Studium. „Ich habe viele Jahre meines Lebens hergegeben. Erst seit meinem 22. Geburtstag mag ich mich selbst.“

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  • Veröffentlicht: 01.09.2012
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