Katharina Gnigler (34) wurde von Gault & Millau zur Sommelière des Jahres 2025 gekürt. Im Interview spricht die Weinexpertin des „Bootshaus“ in Traunkirchen am Traunsee über ihre Faszination für Wein, ihre Ziele und warum es auch in der Gastronomie entscheidend ist, unabhängig vom Geschlecht mit vereinten Kräften zu arbeiten.
Frau Gnigler, wie haben Sie von Ihrer Wahl zur „Sommelière des Jahres 2025“ erfahren?
Ich war bei der Arbeit, als die Nachricht von Gault & Millau überbracht wurde, und bin aus allen Wolken gefallen. Ich glaube, meine erste Reaktion lautete: „Echt jetzt?“ So richtig realisierte ich es aber erst, als ich bei der Verleihung auf der Bühne stand. Es ist schon eine besondere Ehre, speziell wenn man sich die Liste der bisherigen Ausgezeichneten ansieht.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für den Wein entdeckt? War Sommelière schon immer ein Berufswunsch?
Ursprünglich habe ich eine Lehre als Köchin/Kellnerin in einem Gasthaus absolviert, wo ich eine sehr gute Basis erhalten habe. Danach wollte ich weg und ging auf Wintersaison. In meiner zweiten Wintersaison in Kitzbühel hatte ich das Glück, einen Direktor zu haben, der sich sehr gut mit Wein auskannte und uns sehr positiv an das Thema herangeführt hat. So kam eins zum anderen. Eigentlich war es nicht mein primäres Zielgebiet. Ich wusste nur, dass ich gerne im Service bin, gerne mit Menschen zusammenarbeite und das „Gewusel“ brauche. Ich habe dann die Ausbildung zur Sommelière bei „Sommelier Austria“ und zur Diplom-Sommelière am WIFI in Innsbruck gemacht. Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass wir eine sehr gute Grundausbildung bekommen, aber manchmal muss man auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. So ist der Wein im Laufe der Jahre immer mehr in meinen Fokus gerückt. Beim „Döllerer“ in Golling, wo ich sieben Jahre tätig war, erhielt ich schließlich die Möglichkeit, die Stelle der Sommelière zu übernehmen. Für mich war es eine Chance, weiter zu wachsen, denn man muss sich vorstellen: Die Weinkarte dort umfasst 2.500 Positionen. Es ist nicht selbstverständlich, in solchen Häusern arbeiten zu dürfen. Diese Wertschätzung darf man nie verlieren. Das gebe ich heute auch immer an meine Lehrlinge weiter.

„In der Welt des Weins passiert ständig etwas, man steht nie still.“
Was ist es, was Sie am Wein so fasziniert?
Dass es ein sehr schönes Thema ist, bei dem man nie auslernt – das macht es so spannend. Es ist sehr vielseitig, denn man erfährt nicht nur viel über den Wein, sondern auch über die Geschichte der Region, aus der er stammt, über die Geografie und sogar über die Meteorologie, die den Weinbau beeinflusst. Und: In der Welt des Weins passiert ständig etwas, man steht nie still und man darf auch nicht nachlassen.
Wie kann man sich Ihren Tagesablauf als Sommelière vorstellen?
Das ist nicht immer vorhersehbar, doch genau das gefällt mir an der Gastronomie. Man weiß nie, was passiert, wenn man zur Arbeit geht. Ich darf außerdem auch den Service für beide Häuser der Familie Gröller leiten. Das geht über die Tätigkeiten einer Sommelière hinaus. Aber grundsätzlich gehört zu meinen Aufgaben zunächst die Pflege der Weinkarte. Stimmen die Jahrgänge, der Preis? Dann gehört auch die Verwaltung des Weinkellers dazu, das heißt, ich kümmere mich auch um die Bestellungen und darf mit verschiedenen HändlerInnen zusammenarbeiten. Ein Riesenpunkt ist die Weinbegleitung, die gerade im Restaurant viel wichtiger ist als im Gasthaus. Sie wird von 75 Prozent der Restaurantgäste bestellt. Die Weinbegleitung muss dann mit der Küche abgestimmt werden: Ich muss darauf achten, ob es zum Beispiel Änderungen in der Speisekarte gibt und was für die nächsten Tage geplant ist. Und natürlich geht es nicht nur um Wein, sondern um Getränke allgemein, auch alkoholfreie Getränke werden verkostet. Der Trend zum bewussten Trinken macht die Begleitung noch spannender, er erfordert noch mehr Aufmerksamkeit, Alternativen zu finden und sich entsprechend umzusehen.
„Wir verlieren viel Zeit, wenn wir gegeneinander arbeiten, statt miteinander.“
Sie blicken auf viele Jahre in der Branche zurück. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau gemacht? Die Gastronomie genießt ja oft keinen guten Ruf.
Ich bin jetzt seit 20 Jahren in der Branche und habe noch nie erlebt, dass ich anders behandelt wurde, weil ich eine Frau bin. Das kann ich nicht bestätigen. Mir ist bewusst, dass es immer noch Missstände gibt, und ich weiß, dass diese beseitigt werden müssen. Aber ich hatte das Glück, das nicht am eigenen Leib erfahren zu müssen. Ich hatte nie das Gefühl, als Frau in der Branche weniger wert zu sein. Natürlich gab es hin und wieder Kommentare von Gästen, aber meine Reaktion darauf war immer: Jetzt erst recht. Ich finde es aber sehr gut, dass die Thematik in der Branche immer mehr diskutiert wird und sich – speziell in der Sommelerie – sehr viel verändert hat. Es gab schon viele großartige Vorreiterinnen, die uns den Weg geebnet haben. Jetzt wird es wichtig sein, dass wir als Geschlechter nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander, und das auf professioneller Ebene. Dabei ist es mir egal, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder Transgender handelt. Wir verlieren viel Zeit, wenn wir gegeneinander arbeiten, statt miteinander.
Was würden Sie den jungen Frauen, die in Ihrem Bereich arbeiten möchten, raten? Worauf kommt es an? Was ist das Besondere?
Man muss auf jeden Fall stressresistent sein – das ist eine Tatsache, aber auch eine Einstellungssache. Ich kann in allem Guten etwas Schlechtes finden und natürlich jetzt alles Schlechte an der Branche aufzeigen. Aber gleichzeitig gibt es einfach so viel Gutes. Die Gastronomie hat viele Vorteile. Was ich besonders schön finde: Du arbeitest mit Menschen und du bist in der Lage, dafür zu sorgen, dass sie sofort eine schöne Zeit erleben – gerade im Service. Das bekommt man auch als Feedback zurück. Manchmal kommt es vor, dass Gäste schlecht gelaunt bei uns ankommen. Doch das lässt sich ändern, indem wir ihnen ein tolles Erlebnis bereiten.
„Der Wein, der einem schmeckt, ist auch der richtige.“
Gibt es etwas, was Sie in Ihrer Karriere noch unbedingt erreichen möchten?
Ja, die Ausbildung zum „Master Sommelier“ am „Court of Master Sommeliers“ in London. Das ist die höchste Stufe, die man in diesem Bereich – mehr oder weniger im Selbststudium – erreichen kann. Die Ausbildung besteht aus vier Teilprüfungen. In Österreich gibt es meines Wissens nach derzeit nur eine Person, die alle vier absolviert hat, weltweit sind es etwa 240. Ich möchte zumindest drei der Prüfungen bestehen, zwei habe ich bereits.
Wenn Sie abschließend einen Tipp für alle Wein-AnfängerInnen geben müssten: Welcher Wein geht immer?
Das ist gar nicht so schwer: Man nimmt das, was man gerne trinkt. Der Wein, der einem schmeckt, ist auch der richtige. Es geht weniger um den Kopf als um das Gefühl. Mir ist es wichtig, den Leuten die Scheu vor dem Wein zu nehmen, das wird oft viel zu hochtrabend dargestellt, dabei ist es ganz einfach.