Laura Mikola erweckt mit Graffitis Wände zum Leben. Sie erzählt von ihrer Kunst, die sich zwischen Ausdruck, Vandalismus und Protest bewegt.
Die meisten jungen Menschen treffen sich im Kino oder im Kaffeehaus. Laura Mikola trifft ihre FreundInnen in Unterführungen. Die 20-Jährige ist Künstlerin, genauer gesagt Graffiti-Künstlerin. Sie steht nicht mit Pinsel und Farbe vor einer Leinwand, sondern gestaltet Außenmauern, Fassaden oder Bürgersteige mit Sprühfarbe. Ihre Kunst ist Urban Art, der Oberbegriff einer Kunstrichtung, die auch Graffitis und Wandmalerei, sogenannte Murals, beinhaltet. „Ich mag, dass ich für meine Kunst keine Galerie brauche. Ich stelle quasi öffentlich in der Stadt aus und jeder, der daran vorbeiläuft, kann sie sehen“, sagt die Oberösterreicherin. Trotzdem gibt es auch für Urban Art Ausstellungsorte wie die „Mural Harbor Gallery“, Europas größte Graffiti-Open-Air-Galerie im Linzer Hafen, in der Laura Mikola neben ihrem Kulturdesign-Studium arbeitet. Dort führt sie BesucherInnen über das Gelände, erzählt über die Geschichte und Entwicklung der urbanen Kunstform und zeigt Werke von KünstlerInnen, die sich in der Szene bereits einen Namen gemacht haben, mittlerweile Aufträge erhalten und so Geld damit verdienen.
„Ich mag, dass ich für meine Kunst keine Galerie brauche. Ich stelle quasi öffentlich in der Stadt aus und jeder, der daran vorbeiläuft, kann sie sehen.“
Spaziert man über das Gelände, lassen sich die mittlerweile 100 bunten Bilder von 40 KünstlerInnen aus 25 Nationen bestaunen. Vor einem dieser Werke steht Mikola nun. Auf einer Mauer ist eine riesige Katze gesprüht, die sich an eine Gruppe Mäuse heranpirscht. „Der Künstler wollte mit diesem Werk das Katz-und-Maus-Spiel von SprayerInnen und PolizistInnen festhalten“, sagt sie. Denn wird über Graffitis gesprochen, stellt sich unweigerlich die Frage der Legalität. Vandalismus, Schmiererei, Beschmutzung – auch heute haftet Graffitis noch ein „Schmuddel-Image“ an. Obwohl sie im öffentlichen Raum längst angekommen und überall zu sehen sind, besteht dennoch das Gefühl, dass sie in einer Nacht- und Nebelaktion entstanden sein müssen, immer auf der Hut vor GesetzeshüterInnen. Wie kann also etwas Kunst sein, das teils verboten ist, und vor allem, wie lässt sich mit dieser Kunst Geld verdienen? „Wurden Graffitis in Auftrag gegeben, habe ich vorher gefragt und auf legalen, freigegebenen Flächen gesprüht? Dann ist es Kunst und kein Vandalismus“, sagt Mikola. Wurde einfach ohne Erlaubnis oder Auftrag gesprüht, wie oft auf Zugwaggons, ist es Vandalismus, und es drohen hohe Strafen.
Graffitis, so wie wir sie heute kennen, entstanden Ende der 1960er-Jahre in New York City, als erstmals Menschen anfingen, illegal auf öffentliche Gebäude und U-Bahn-Waggons zu sprayen, und so Farbe in die damals grauen Städte brachten. Ein regelrechter Trend unter Jugendlichen brach aus, als ein in New York lebender Grieche anfing, seinen Spitznamen und seine Hausnummer überall hin zu sprühen. „Taki 183“ war in U-Bahn-Stationen an Wänden und Waggons zu finden. Takis „Tag“ (vom Englischen „to tag“: „markieren“), so nennt man in der Szene die Signatur eines Graffiti-Künstlers, war der Startschuss für die Sprühkunst. Bald darauf waren die U-Bahn-Stationen der Stadt von den Sprühwerken übersät und Jugendliche eiferten um die besten Flächen, Popularität und Anerkennung. Heute zählen Graffitis zu einer lebendigen Kunstform, die oft politisch und zudem ein kraftvolles, buntes Protestmittel ist, um mit dem Akt der Verunstaltung, aber auch mit der transportierten Botschaft auf ein Thema aufmerksam zu machen. Mittlerweile beauftragen aber auch Städte, private Unternehmen und Institute Graffiti-KünstlerInnen, um Kunstwerke oder Werbung für Produkte in das Stadtbild zu integrieren oder um das Stadtbild oder eigene Räumlichkeiten zu verschönern.
„Andere gehen ins Kino oder shoppen, ich gebe mein Geld fürs Sprayen aus.“
Auch für Laura Mikola ist die urbane Kunst die beste Form, sich auszudrücken. Schon früh hat sie sich künstlerisch ausprobiert, damals noch auf einer Leinwand mit Acrylfarben. Sie malte Porträts, konnte sich mit klassischer Kunst aber nicht richtig ausdrücken und war schnell frustriert. „Ich fand die Schmierereien viel reizvoller, die ich draußen auf Stromkästen und Wänden fand. Ich habe mich gefragt, wer die Menschen wohl sind, die sie hinterlassen haben und was sie mit ihnen ausdrücken wollten“, erzählt sie. Zum ersten Mal selbst ein Graffiti sprühte sie mit 16 Jahren, als ein Freund sie mitnahm, der auf legalen Flächen in Unterführungen arbeitete. Sie war sofort begeistert, und seither verbringt sie in ihrer Freizeit viel Zeit damit, hauptsächlich Buchstaben und Porträts von selbst ausgedachten Charakteren zu sprühen. Dabei gehe es ihr nicht um den Kick, erwischt zu werden, denn sie arbeitet auf rein freigegebenen Wänden, die auf einer aktiven Karte auf der Website spraycity.at eingetragen sind. Für ein Werk muss sie je nach Größe mit 40 bis 50 Euro Materialkosten rechnen – kein unbedingt günstiges Hobby für eine Studentin. „Andere gehen ins Kino oder shoppen, und ich gebe mein Geld fürs Sprayen aus“, sagt sie und lacht. Mikola fertigt vorher grobe Skizzen an. Der Rest entsteht dann beim Sprühen an der Mauer. Oft arbeitet sie einen ganzen Tag lang, bis ihr Werk fertig ist. Am Tag darauf kann es schon wieder übersprüht worden sein. „Damit muss man bei dieser Kunst rechnen. Aber es macht mir nichts aus“, sagt sie. Ihr gehe es um die Entstehung, den Prozess, was sie dabei empfindet und um Vollendung, nicht um Kunst für die Ewigkeit.