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Frauen in der IT: „Als positives Vorbild vorangehen“

Frauen in der IT: „Als positives Vorbild vorangehen“
Foto: Shutterstock
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  • Veröffentlicht: 17.07.2025
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Ramona Nussbaumer gehört zu den wenigen Frauen, die sich in Vorarlberg in der IT-Branche selbstständig gemacht haben. Ein Gespräch über geschlechtsspezifische Hürden und digitale Herausforderungen.

Die Aufnahme-App und der virtuelle Besprechungsraum sind gestartet. Während ich mit einem Auge den Bereich „Wartezimmer“ im Blick behalte und auf die Benachrichtigung warte, dass meine Gesprächspartnerin dem Termin beitreten möchte, lese ich noch einmal meine Notizen durch. Dieses Interview entsteht, bis auf die ausgedruckten Fragen, komplett digital – von der Aufnahme bis zur Transkription. Passend zu meiner Interviewpartnerin, denke ich. Schließlich treffe ich mit Ramona Nussbaumer auf eine Frau, die sich als erste weibliche IT-Expertin in Vorarlberg selbstständig gemacht haben soll – so hieß es zumindest in einem lokalen Medium. Eine Behauptung, die Nussbaumer, kaum hat sie den „Raum“ betreten, prompt klarstellt: „Ich bin eine von wenigen Frauen, ja. Aber nicht die erste oder einzige, wie es einmal in einem Artikel geheißen hat. Dafür habe ich einen Shitstorm geerntet – und ich war auch selbst sauer, denn das nimmt einem die Glaubwürdigkeit.“ 

Abstürzende Computer und 300-Seiten-„Schinken“

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass der Karriereweg, den Nussbaumer zurückgelegt hat, bemerkenswert ist. Denn eigentlich arbeitete die alleinerziehende Mutter zweier Kinder in der Gastronomie und besaß nur einen alten PC. Nicht nur brachte sie diesen regelmäßig zum Abstürzen, sondern auch ihren Bruder, einen „richtigen Computer-Nerd“, wie sie ihn beschreibt, zur Verzweiflung. Bis es ihm reichte und er ihr eines Tages ein mehr als 300 Seiten langes Buch mit dem Titel „Linux Opensuse“ übergab. „Ich stand davor und verstand die Welt nicht mehr. Doch dann dachte ich mir: Na warte, ich lese den blöden Schinken jetzt und zeige es dir! Also schlug ich das Buch auf und – man wird es mir nicht glauben – war schockverliebt. Ich war begeistert von all den Funktionen.“  

„Ich musste schockiert feststellen: Programmieren ist so gar nicht meine Welt.“
Ramona Nussbaumer

Aus der Begeisterung wurde mehr, es entstand ein Berufswunsch. Und so holte Nussbaumer die Berufsreifeprüfung nach und begann, „Software und Information Engineering” an der Fachhochschule zu studieren. Zumindest für einige Semester, „denn ich musste schockiert feststellen: Programmieren ist so gar nicht meine Welt“. Eine Erkenntnis, mit der sie einige Zeit haderte: „Da hatte ich alles riskiert, um studieren zu können, und nun fühlte es sich unverschämt an, zu sagen, dass es mir nicht gefällt.“ Aufhalten ließ sich die heutige Unternehmerin aber dennoch nicht, sondern sie brach das Studium ab und bewarb sich so lange, bis ein Unternehmen ihr die Chance gab und sie ausbildete. Parallel dazu eignete sie sich zusätzliches Wissen durch Fortbildungen, Lehrgänge und Zertifikate an. 

„Ich wurde wiederholt auf mein Frausein reduziert“

Doch dass es als Frau in diesem nach wie vor männerdominierten Berufsfeld nicht leicht sein würde, bekam sie früh zu spüren. Denn trotz all ihres Könnens stand immer wieder ihr Geschlecht im Zentrum ihres Berufsalltags. „Es war ganz egal, was ich alles geleistet habe, einige Männer wollten meine Leistungen nie anerkennen. Da kamen dann auch Sprüche weit unter der Gürtellinie, etwa ob ich mal den Knopf meiner Bluse für ein Meeting öffnen könne.“ Schnell wurde der heutigen IT-Expertin klar, dass es so nicht weitergehen konnte. „Meine Kinder waren zu dem Zeitpunkt in der Pubertät, und ich musste mir überlegen, welches Vorbild ich sein wollte. Ich wollte nicht nach Hause kommen und ständig wegen meiner Arbeit traurig sein. Also entschied ich mich nach meiner letzten Arbeitsstelle, noch einmal alles zu riskieren und mich selbstständig zu machen und als positives Vorbild voranzugehen – nicht nur für die Frauenwelt, auch für die Männer.“ 

„Du machst es so, wie du es für richtig hältst“

Gesagt, getan. So ließ sich die Vorarlbergerin auch von den Herausforderungen der Coronakrise, in die die Gründungsphase fiel, nicht aus der Ruhe bringen. Welche Lektion ihr im Nachhinein besonders im Gedächtnis geblieben ist? „Dass ich beim Aufbau meines Unternehmens anfangs immer dachte, ich müsste mir meine männlichen Kollegen zum Vorbild nehmen und es genauso machen wie sie. Das tat ich eineinhalb Jahre, bis ausgerechnet Männer mir rieten: ‚Du machst es so, wie du es für richtig hältst.‘“ Also setzte Nussbaumer auf ihre individuelle Arbeitsweise – und das mit Erfolg: Heute ist sie Gründerin und Geschäftsführerin von „Clevere Nuss IT“. Das Unternehmen unterstützt Firmen bei ihrer IT-Strategie und -Planung, bei Prozessupgrades sowie im Bereich IT-Sicherheit und Datenschutz. 

 Gerade Letzteres gehört zu den Aufgabengebieten, die in Zeiten des Vormarschs der künstlichen Intelligenz an Bedeutung gewinnen. Schließlich werden die Maschen von Betrüger:innen mithilfe dieser Technologie immer kreativer. Zwar mache dies den Job von Nussbaumer besonders spannend, weil es immer wieder neue Entwicklungen gebe, gleichzeitig mahnt die Vorarlbergerin aber auch zu mehr Vorsicht – und vor allem Bewusstsein. Nicht nur in Unternehmen bedürfe es einer besseren Kenntnis über den sicheren Umgang mit Daten und sensiblen Informationen. Auch für Privatpersonen sei dies heute und in Zukunft entscheidend, weil seit dem Aufkommen der sozialen Medien zu leichtfertig mit privatesten Daten umgegangen wird, ist Nussbaumer überzeugt. 

Foto: Ramona Nussbaumer
„Gerade als Mutter finde ich es besonders schlimm, wenn Eltern alles von ihren Kindern herzeigen. “
Ramona Nussbaumer

„Das ist, als würde man die Haustür nicht richtig abschließen – oder sogar noch ein Schild aufhängen, auf dem steht: Freier Eintritt, nimm dir, was du brauchst!“ Besonders bedenklich sieht Nussbaumer in diesem Zusammenhang das Thema Kinder auf Social Media. Die Problematik beginne schon früh, etwa mit Schriftzügen der Kindernamen auf Autos, und verschärfe sich, wenn gleichzeitig sensible Informationen wie der Standort des Kindergartens oder kompromittierende Bilder auf Plattformen wie Instagram geteilt werden. „Gerade als Mutter finde ich es besonders schlimm, wenn Eltern alles von ihren Kindern herzeigen. Das Kind hat zu diesem Zeitpunkt nie die Möglichkeit, seine Einwilligung zu geben.“ 

 Wie intensiv die Datensammlung von Facebook & Co. – besonders in der Zeit vor dem Inkrafttreten strengerer Datenschutzregelungen – stattgefunden hat, werde einem spätestens dann vor Augen geführt, wenn man beispielsweise Werbung auf diesen Plattformen schalten möchte und dementsprechende Zielgruppen definiert, erklärt Nussbaumer. Wer denkt, Zielgruppen könnten nur anhand oberflächlicher Punkte wie Herkunft, ungefähre Altersgruppe oder Geschlecht festgelegt werden, irrt. „Die Auswahl geht viel tiefer und führt uns vor Augen, was wir oft unbewusst über uns preisgeben.“ 

Bildung und Kritisches Denken

Der logische Schritt, um dem unkontrollierten Sammeln von Informationen entgegenzuwirken? Bildung, ist sich Nussbaumer sicher – und zwar schon ab dem Kindesalter. Gleichzeitig sei es entscheidend, Kindern die Fähigkeit zu vermitteln, Dinge kritisch zu hinterfragen. „Wir müssen es Kindern auch zumuten und erlauben, uns Erwachsene infrage zu stellen. Wenn man Kinder schon dazu erzieht, auch auf das Kleingedruckte zu achten, wird sich das auch auf die Nutzung digitaler Medien auswirken. Wir werden genauer darauf achten, welche Berechtigungen Apps auf unserem Handy haben und wie sie unsere Daten verwenden dürfen.“  

„Sucht euch Vorbilder, Freunde und ein Umfeld, das eure Ziele unterstützt“

Was Nussbaumer neben einem bewussteren Umgang mit digitalen Daten mit ihrer Arbeit auch erreichen möchte: Frauen für die IT begeistern. Jungen Mädchen, die sich für den Berufszweig interessieren, aber aufgrund des hohen Männeranteils zögern, rät sie: „Traut euch, probiert es aus! Sucht euch Vorbilder, Freunde und ein Umfeld, das eure Ziele unterstützt. Auch ich hatte zwei Mentor:innen, die mich mit Tipps und Tricks unterstützt und mir Mut gemacht haben. Sprecht die Leute an, geht gezielt auf Unternehmen zu, aber vor allem: Traut euch und bleibt dran!“ 

3 clevere Tipps für den Online-Schutz

  • Verwenden Sie starke, einzigartige Passwörter für jedes Online-Konto, idealerweise über einen Passwortmanager. Ein gutes Passwort schützt wie ein Türschloss: je stabiler und individueller, desto schwerer zu knacken. 
  • Aktivieren Sie „2FA“, also die Zwei-Faktor-Authentifizierung, wo immer es möglich ist. Dies ist wie ein zweiter Schlüssel für die Online-Welt – selbst wenn jemand Ihr Passwort kennt, kommt er oder sie ohne einen zusätzlichen Code nicht weiter.  
  • Misstrauen ist der beste Schutz, besonders bei Mails und Links. Phishingmails sind die „Einbrecher im feinen Zwirn“. Klicken Sie niemals blind auf Links oder Anhänge, auch wenn sie vertrauenswürdig aussehen. Lieber einmal zu viel hinterfragen, als in die Falle tappen! 

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