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06/25

„Einfach abwarten“: Wie eine Waldviertlerin das Gärtnern revolutioniert

„Einfach abwarten
Pia Eis in ihrem Garten Foto: Zoe Opratko

In ihrem Gartenbuch zettelt die Landwirtin Pia Eis mit guter Laune und Naturbeobachtungsgabe eine „Slow Gardening Revolution“ an.

Als kleines Mädchen wuchs Pia Eis ganz selbstverständlich damit auf, ihrer Großmutter und Mutter im Gemüsegarten zu helfen, auf Stufen sitzend Erbsen auszulösen, bei der Apfelernte mit anzupacken oder gemeinsam mit ihrer Schwester „mit der lustigen Handmaschine“ Weichseln fürs Einkochen zu entkernen. „Das prägt“, konstatiert die niederösterreichische Landwirtin und Gartenbäuerin gleich in der Einleitung zu ihrem allerersten Gartenbuch, das dieser Tage erschienen ist. Schon sein Titel ist eine Ansage: „Die Slow Gardening Revolution“ heißt es und verspricht auch im dazugehörigen Untertitel Großes: „Warum du den Saisonkalender nicht mehr brauchst und wie du durch Naturbeobachtungen ganz entspannt gärtnern kannst.“

Wer einmal in Pia Eis’ Haus im kleinen Weinviertler Dorf Senning nahe Stockerau war, wo sie mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen lebt und arbeitet, versteht rasch, dass sich hier so gut wie alles ums Selbermachen, Selber- anbauen und Selbstversorgen dreht. In Eis’ Küche stehen auf Borden und in Regalen Gläser und Flaschen mit ihren selbst gemischten Suppenwürzen, Tinkturen, Sirupen und Kräutersalzen. In und um Senning baut ihre Familie Getreide und Feldfrüchte wie Erdäpfel oder Kürbis an. Es gibt Obstbäume, Beerensträucher, Kräuter, Wildkräuter und Gemüsebeete. Fallobst, das von den Bäumen auf ihrer Streuobstwiese herunterfällt, verarbeitet Pia Eis zu Essig, welcher wiederum die Basis für ihre selbst gemachten Senfe ist.

Stressfrei ans Ziel

Es ist unübersehbar: Alles hier ist ein großer Kreislauf, in dem Privates und Berufliches eng miteinander verwoben sind. Das große strukturierende Gerüst dahinter sind die Rhythmen der Natur. Kein Wunder, dass Eis ein sehr ausgeprägtes Gefühl für „den richtigen Zeitpunkt“ hat. Denn genau darum – um die richtigen Tätigkeiten zum richtigen Zeitpunkt – dreht sich im Gartenbau und beim Gärtnern alles. Sie zu erkennen, braucht vor allem eines: ruhiges Beobachten der Natur und das Achten auf Fingerzeige, die all jenen großzügig zuteilwerden, die bereit sind, genauer hinzuschauen, was sich wann in der Natur tut. Das kann im Wochen- und Monatsvergleich von Jahr zu Jahr sehr verschieden sein und unterschiedliches Vorgehen verlangen. Immer Mitte März die Rosen schneiden? Nicht unbedingt. Besser ist es, sie dann zu schneiden, wenn die Forsythien blühen. Das ist in manchen Jahren schon im Februar, in anderen erst Ende März.

So oder so ähnlich lässt sich Pia Eis’ Gartenphilosophie des „Slow Gardening“ zusammenfassen: „Ganz stressfrei können wir einfach abwarten, bis uns die Natur mit ihren Zeigerpflanzen die nächsten Schritte aufzeigt. Dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um vom Liegestuhl in die Gartenhandschuhe zu schlüpfen.“ Da mögen – auch bedingt durch den Klimawandel und seine Folgen – die meteorologischen Jahreszeiten ziemlich durcheinandergeraten: Die Zeigerpflanzen des phänologischen Kalenders, an dem Eis sich orientiert, teilen einem dennoch ziemlich verlässlich mit, was wann zu tun ist.

Die Natur als Kalender

Phänologischer Kalender? Schon mal gehört, aber noch nie richtig überlegt, worum es sich im Detail handelt und welche Schlüsse man daraus im Einzelnen für die Arbeit im eigenen Garten ziehen könnte? Alle, auf die das zutrifft, sind mit Pia Eis’ „Slow Gardening Revolution“ bestens bedient. Denn der phänologische Kalender geht es etwas detaillierter an als der meteorologische. „Er unterteilt das Jahr in zehn Abschnitte, die auf sich wiederholenden Ereignissen in der Natur basieren, etwa dem Blühen bestimmter Pflanzen, dem Auftreten bestimmter Insekten oder dem Zug bestimmter Vogelarten.“ Während der meteorologische Kalender den Frühling mit 1. März beginnen und mit 31. Mai enden lässt und damit eine Zeitspanne von sehr verschiedenartigen Wetter-, Temperatur- und Naturerscheinungen zusammenfasst, unterscheidet der phänologische Kalender viel genauer zwischen Vor-, Erst- und Vollfrühling, setzt fort mit Früh-, Hoch- und Spätsommer und läuft über Früh-, Voll- und Spätherbst in den Winter ein.

„Ein Garten ist vor allem auch zum Genießen da.“
Pia Eis

Und woher weiß man, wann eine dieser zehn phänologischen Jahreszeiten angebrochen ist? Man achtet auf bestimmte Zeichen in der Natur. Pia Eis: „Die Kornelkirsche strahlt dir mit knallgelben Blüten entgegen? Willkommen im Erstfrühling – und los geht’s mit der Aussaat von Pflücksalat, Karotten und Erbsen direkt ins Beet.“

Nach dieser Methode lässt sich rund ums Jahr bestens arbeiten. Pia Eis führt das quer durch ihr Buch an Garten- arbeiten aller Art vor: von Strauchschnitt über Dahlienknollen-Setzen, von Frühbeet bis Nützlingspflege. Ihr „Slow Gardening“-Konzept ist aber vor allem auch eine Aufforderung, es im Garten nicht generalstabsmäßig stressig nach einem fixen saisonalen Programm anzugehen, sondern entspannt zu agieren und sich lässig in die stets wechselhaften Rhythmen der Natur einzuordnen. „Ein Garten ist vor allem auch zum Genießen da.“ An die Stelle verkrampfter Ich-muss-heute-unbedingt-Nochs, durch die viele ihre Gärten als Pflichtübungen begreifen, könnte viel mehr fröhliches Beobachten treten, findet die Gartenbäuerin. Wenn man den Garten nicht zwingt, sondern sich auf ihn einschwingt, gelangt man auch rasch zur Einsicht, dass „in der Natur nichts überflüssig ist, alles ist für etwas vorgesehen“, wie es die englische Gärtnerin und Schriftstellerin Jane Loudon formulierte. Außerdem lernt man beim „Slow Gardening“-Naturbeobachten deutlich mehr, als wenn man seinen Garten nach fixen Plänen zwingen will. Oder wie Pia Eis es formuliert: „Ein Garten soll nicht Stress machen, sondern den Kopf frei!“

Buch zum Thema

Pia Eis: Die Slow Gardening Revolution.

Löwenzahn Verlag, 27,50 Euro

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  • Veröffentlicht: 13.05.2025
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