Franziskus hat die Diskussion zu Geschlechterrollen in der Kirche angestoßen. War das genug? Ein Gespräch mit Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung, über Reformen im Vatikan.
Was hat Papst Franziskus für Frauen weltweit getan?
Ritter-Grepl: Papst Franziskus hat innerhalb der Kirche Räume für Frauen geöffnet, die ihnen zuvor völlig verschlossen waren. Durch die Reform der Römischen Kurie konnte er Frauen in höchste Ämter berufen. Es gibt sogar ein Dikasterium, an dessen Spitze eine Frau steht – mit einem Kardinal als Mitarbeiter. Das ist eine echte Revolution.
Was ich weltpolitisch besonders bedeutsam finde, ist die neue Sichtweise der Kirche auf das Verhältnis der Geschlechter. Im Abschlusstext der Synode wird dieses Verhältnis als reziprok beschrieben. Zum Vergleich: Bislang galt, dass Männer und Frauen grundlegend verschieden seien – mit einer symbolischen Trennlinie dazwischen. Diese Trennung ist nun aufgehoben. Eigenschaften werden nicht länger geschlechtsspezifisch gedacht, sondern als persönliche Merkmale verstanden. Das ist ein großer Schritt für eine Organisation, die sich das Ziel gesetzt hat, Geschlechterverhältnisse gerechter zu gestalten.
Sie haben Papst Franziskus auch persönlich getroffen. Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?
Ritter-Grepl: Die persönliche Begegnung mit Papst Franziskus war sehr bewegend. Es gelang ihm, in diesem kurzen Moment eine echte Verbindung zu mir herzustellen. Es war nicht einfach ein Händedruck – es fühlte sich an, als würde die Zeit stillstehen und er mich als Gegenüber vollkommen wahrnehmen. Besonders eindrücklich war für mich seine Bitte, für ihn zu beten. Dass der Papst mich persönlich um mein Gebet bittet, hat mich tief berührt.

„Dass der Papst mich persönlich um mein Gebet bittet, hat mich tief berührt. “
Vor Beginn seines Pontifikats war die katholische Gesellschaft stark polarisiert. Manche hatten Angst, er könnte traditionelle Werte zerstören, andere hofften auf umfassende Liberalisierungen. Letztlich hat er vor allem viele Diskussionen angestoßen. Gibt es eine Veränderung, die Sie sich gewünscht hätten, die aber bislang ausgeblieben ist?
Ritter-Grepl: Sein Pontifikat ist für mich vor allem dadurch geprägt, dass er die Menschen liebt und die Kirche als Organisation sieht, die den Menschen Hoffnung bringt – durch das Evangelium. Ihm war es wichtig, auf konkrete Lebenssituationen einzugehen und darauf Antworten zu finden, selbst wenn diese außerhalb der kirchlichen Tradition oder des Kirchenrechts lagen. Das ist bemerkenswert.
Er hat die Menschen ausdrücklich dazu ermutigt, in der pastoralen Praxis Dinge auszuprobieren, statt auf offizielle Erlaubnisse zu warten. Gleichzeitig sehen viele – Frauen wie Männer – die Notwendigkeit, dass Frauen Zugang zu allen drei Weiheämtern erhalten: als Diakoninnen, Priesterinnen und Bischöfinnen. Ich nenne bewusst alle drei. Auch wenn ich ungeduldig bin, verstehe ich, dass es sich um einen weltweiten Prozess handelt, den er angestoßen hat – und der noch nicht abgeschlossen ist.
Warum braucht dieser Prozess eigentlich so viel Zeit?
Ritter-Grepl: Er steht auch im Zusammenhang mit der globalen Lage: Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen sind weltweit noch Alltag. Wenn man die Kirche als weltumspannende Organisation mit der UNO vergleicht, erkennt man: Viele Mitgliedstaaten der UNO sehen Gleichstellung von Frauen nicht als Ziel. Genauso gibt es lokale Kirchen, in denen Gleichberechtigung keine Rolle spielt. Daher ist es verständlich, dass dieser Veränderungsprozess Zeit braucht. Umso wichtiger ist es aber, dass die Kirche hier vorangeht – als Vorbild für Gesellschaften, in denen Gleichstellung bisher keine Realität ist.
„Ihm war es wichtig, auf konkrete Lebenssituationen einzugehen und darauf Antworten zu finden, selbst wenn diese außerhalb der kirchlichen Tradition oder des Kirchenrechts lagen. Das ist bemerkenswert. “
Nun haben manche Menschen Sorge, dass der Nachfolger von Papst Franziskus diese neuen Bestrebungen wieder rückgängig machen könnte.
Ritter-Grepl: Ich kann mir vorstellen, dass es diese Angst gibt – aber ich teile sie nicht. Die katholische Frauenbewegung war in den letzten Jahren stark in den Synodenprozess eingebunden. Wenn man diese Synodalität der Kirche ernst nimmt, lässt sich das nicht einfach zurückdrehen. Viele der Kardinäle, die im nächsten Konklave stimmberechtigt sind, haben diesen Prozess aktiv mitgestaltet. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Erfahrungen des Synodenprozesses auch Einfluss auf die Wahl des nächsten Papstes haben werden.
Und: Was ich von Laien, Frauen, Priestern, Bischöfen und Kardinälen gehört habe, ist, dass dieser Prozess bei allen Beteiligten eine eigene spirituelle Entwicklung ausgelöst hat. Die Kirche wurde als Gemeinschaft erlebt, in der Menschen einander auf Augenhöhe begegnen.
Was wünschen Sie sich vom nächsten Papst im Hinblick auf Frauen in der Kirche?
Ritter-Grepl: Etwas, das wenig bekannt ist: Während der Synode, bei der die Rolle der Frau stark im Fokus stand, hat sich Papst Franziskus viermal mit seinem Kardinalsberaterstab getroffen. In zwei Jahren fanden vier Symposien zur Rolle der Frau in der Kirche statt. Dabei ließ er sich von ExpertInnen über die gesellschaftliche Rolle von Frauen und über wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Geschlecht weiterbilden. Das finde ich großartig. Vom nächsten Papst wünsche ich mir diese Offenheit: dass er die Erfahrungen und das Wissen von Frauen ernst nimmt und in kirchliche Prozesse einbezieht. Und mir ist wichtig, dass das nicht nur auf Frauen beschränkt bleibt – sondern dass auch Menschen aus der LGBTQ-Community in diese Überlegungen einbezogen werden.