Aktuelle
Ausgabe:
Arbeit
04/05/25

Das Gefühl in Worte fassen

Das Gefühl in Worte fassen
Foto: Richard Marschik

Das Kunsthaus in Horn platzte aus allen Nähten: Mehr als 200 BesucherInnen waren gekommen, um mehr über das Thema „Mental Load“ zu erfahren. Die Veranstaltungsreihe zum Thema, eine Kooperation von „Welt der Frauen“, dem Land Niederösterreich und der Katholischen Frauenbewegung St. Pölten, ging in die nächste Runde. Es wurde ein Abend mit spannenden Einsichten, einigen Aha-Momenten und bester Unterhaltung.

Gastgeberin Christiane Teschl-Hofmeister, Niederösterreichs Frauenlanderätin betonte, dass „Mental Load“, also die unsichtbare Denk- und Organisationsarbeit, vor allem Frauen betreffe. „Die die ständige Belastung schadet uns, macht uns krank und sorgt dafür, dass wir irgendwann nicht mehr können.“ Damit sei auch die Politik gefordert, Frauen zu entlasten, etwa mit dem Ausbau von Kinderbetreuung aber auch mit Beratung.

„Das Wichtigste ist, dass wir Solidarität zeigen, anderen Frauen zuhören und darauf schauen, wie es ihnen geht.“
Christiane Teschl-Hofmeister, Frauenlandesrätin NÖ

Mit dem Bild eines Eisbergs verdeutlichte Erich Lehner, Psychotherapeut und Männerforscher, dass von alltäglichen Aufgaben meist nur die Spitze – also das tatsächliche Erledigen – zu sehen ist. Die gesamte Planung und Denkarbeit bleiben aber unsichtbar. Es sei sehr viel Arbeit, die gerechte Aufteilung des Mental Load in einer Beziehung gerecht aufzuteilen – würde sich aber lohnen, so Erich Lehner. „Mental Load kann man nicht vermeiden“, sagte er, „aber man kann ihn aufteilen: Wenn zwei etwas tragen, ist es leichter.“

„Damit Männer sich in Familie, Erziehung und Partnerschaft einbringen, brauchen sie die Unterstützung der Gesellschaft.“
Erich Lehner, Psychotherapeut und Männerforscher

Elisabeth Cinatl, Psychotherapeutin und Leiterin des Vereins wendepunkt, betonte, wie wichtig es sei, dem Gefühl, dass alles zu viel wird, einen Namen zu geben. „Es ist außerdem wichtig, dass wir es ansprechen – in der Beziehung oder mit Freundinnen.“ Auch die Beratungsstellen stehen dafür zur Verfügung, und zwar nicht erst, wenn der Leidensdruck unerträglich ist. Gerlinde Mauerer, Soziologin an der Universität Wien, erforscht das Phänomen Mental Load anhand von Paaren, die sich die Karenz halbe-halbe aufgeteilt haben. „Meist gehen Mütter zuerst in Karenz“, sagt sie. „Wenn die Väter dann nach fünf Monaten überehmen, wird ihnen nicht alle Zuständigkeiten übergeben – und bleiben bei den Frauen.“ Väter, so ihre Erkenntnis, können viel mehr tun, wenn sie allein mit ihren Kindern sind. „Wenn die Mütter wegfahren – und die Großeltern am besten gleich mit“, sagte sie. „Es funktioniert wunderbar.“

„Frauen kommen meist zu spät in die Beratung. Um sich Hilfe zu holen, braucht es keinen massiven Leidensdruck.“
Elisabeth Cinatl, Verein wendepunkt

Die Botschafterin der Katholischen Frauenbewegung, Anna Rosenberger, berichtete aus ihrer eigenen Erfahrung mit Mental Load als Landwirtin, Mutter, Großmutter und Ehrenamtlichen. Sie verortet in Frauengruppen eine wertvolle Ressource gegen Mental Load. „Wenn Frauen zusammenkommen, passiert viel an Empowerment, da fragt man: ‚wie geht es dir denn?‘“ Und auch Christiane Feigl, Geschäftsführerin von „Welt der Frauen“ weiß, wie es ist, wenn die Zuständigkeiten in der Familie zu viel werden. „Mental Load ist real“, sagt sie, „und ist es wert, beachtet zu werden.“

Weil eine kleine Auszeit eine erprobte Strategie gegen zu viel Mental Load ist, genossen alle Anwesenden den Auftritt von Schauspielerin und Sängerin Katharina Straßer, die mit ihrer großartigen Stimme und mitreißender Präsenz begeisterte. Bei einem Imbiss und einem Gläschen Wein klang ein Abend aus, der zeigte, dass viele Frauen wissen, wie es ist, für vieles verantwortlich zu sein. Und, dass der gemeinsame Austausch darüber schon eine große Entlastung sein kann.

„Ich bin froh, dass man dieses Gefühl in Worte fassen kann.“
Katharina Straßer, Schauspielerin und Sängerin

Bildergalerie

ZUM VERGRÖSSERN DER BILDER KLICKEN SIE BITTE AUF DAS JEWEILIGE FOTO!
  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 19.03.2025
  • Drucken