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03/24

Buchempfehlung: Goldfäden zwischen Himmel und Erde.

Buchempfehlung: Goldfäden zwischen Himmel und Erde.

Für das Lesen dieses Buches sollte man Zeit einplanen, so stark und gänzlich unaufdringlich beteiligt Silke-Andrea Mallmann uns, die Leserinnen und Leser an ihrem Leid, an ihren Hoffnungen, auch an der Freude über eine Kugel Eis, na ja, einmal sind es mehrere Eiskugeln Genuss und Anbindung an Lebensfreude geworden. Nehmen Sie sich Zeit, ein Glas Wasser, eine Tasse Tee wären auch nicht schlecht. Kein Eis! Das würde schmelzen, bis Sie wieder einmal von Ihrer Lektüre aufsehen.

Es wird immer einen Frühling geben

Das Gewusel rund um Silke-Andrea Mallmann in ihrem Arbeitsalltag ist bunt, multikulturell und mehrsprachig. Immer will jemand etwas von ihr. Und immer hilft sie weiter, das „tschuldigung“, das so viele wichtige Fragen von Geflüchteten einleitet, das die Zuhörende darauf vorbereitet, dass jetzt Existenzielles erfragt werden will, in aller Angemessenheit. Ein Schmerz, genauer ein schmerzhaftes Ziehen im Dezember 2017, ein Gefühl, da könnte etwas im Unterleib nicht stimmen, lässt die geistliche Schwester schließlich zur Gynäkologin gehen: Bereits die Ultraschalluntersuchung schmerzt, der Arbeits- und Lebensrhythmus kommt bei den Worten der Ärztin aus dem Takt:

 

„Für das, was ich sehe und vermute, werden Sie sich noch viel Zeit nehmen müssen.“

Silke Mallmann ist 1968 geboren, ist Mariannhiller Missionsschwester vom Kostbaren Blut, lebt und arbeitet in Kärnten: Stets ist sie auf der Seite der Schwachen, der Ausgebeuteten – Prostituierten und Opfer von Menschenhandel – gestanden. Sie ist, so lässt es sich lapidar zusammenfassen, eine starke Frau mit viel Humor. Der Wechsel „auf die andere Seite“, auf die derer, die Unterstützung, Hilfe, Pflege bedürfen, war, – so lesen wir es Seite für Seite – eine Herausforderung. Wachen Blickes erkannte sie, nunmehr als Patientin, die Menschen, die Gutes wollen, die das Wohl der Patientinnen und Patienten wahrnehmen und lernte sie zu unterscheiden von denen, die Lametta darstellten: korrekt, um penible Erledigung bemüht, manchmal ein wenig harsch, selbstherrlich.

„Ich habe mein Leben nicht in der Hand. Ich nicht – aber jemand, der mein Leben einspannt mit goldenen Fäden wie eine Raupe im Kokon. Ich bin nicht mehr dieselbe wie vor der Krankheit.“

Die Autorin findet klare Worte für ihre Ängste, ihre Bedenken, die Komplikationen nach der Operation, das Wissen, wie wichtig die Chemotherapie für sie ist. Sie schreibt es einfach hin: Gott ist kein Kaugummi-Automat. Was bedeutet denn eine Wenn-Dann-Spiritualität, was lässt hoffen, was lässt zweifeln? Sie, die eine Ahnung hat und wohl mehr als nur eine Ahnung, sie, die bereits viele Menschen im Sterben begleitet hat, denkt über Lebensethik nach, beginnt, Menschen, die sich auf den Weg in die Schweiz machen, zu verstehen. Gebete und Gedichte bringen sie immer wieder auf eine hoffnungsvolle, still-hoffnungsvolle Gedankenspur. Es gibt Besuche der Mutter, der Mitschwestern, vieler Menschen, die sie gut kennen: Es gibt Unterstützung, die Nebenwirkungen der Chemotherapie möglichst gut zu überstehen, es gibt das Beten, füreinander und miteinander.

„Ich bin im Herbst meines Lebens angekommen. Einiges ist durch die Diagnose und die Krankheit schon abgestorben. Aber ich erkenne neue Knospen, die es jetzt und in Zukunft zu entdecken gilt. Es wird, wie immer sich die Krankheit entwickelt, einen Frühling geben. So oder so, am Ende steht immer das Leben.“

Die Autorin Silke-Andrea Mallmann

(geb. 1968) stammt aus dem Rheinland und lebt als Mariannhiller Missionsschwester vom kostbaren Blut in Kärnten. Als Psychologin engagiert sie sich für MigrantInnen, Prostituierte und Opfer von Menschenhandel. Sie ist Trägerin des Menschenrechtspreises des Landes Kärnten.

Sr. Silke-Andrea Mallmann:
Goldfäden zwischen Himmel und Erde.
Glauben in dunklen Stunden.
Herder 2020.
240 Seiten.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

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  • Veröffentlicht: 14.05.2020
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