Bilderbücher zum Thema Angst brauchen vor allem eine Zutat: Ehrlichkeit. So beginnt der Dialog zwischen Max und seinem Vater während eines Gewitters: Max will wissen, ob sein Vater schon mal Angst hatte. Das führt zur ehrlichen Antwort „Ja“ und zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema.
Papa, hast du schon mal Angst gehabt?
„Wir alle haben manchmal Angst. Selbst wenn die Angst klein ist und nur in unserem Kopf existiert, kann sie sich riesengroß machen und überall sein. Manche Menschen haben Angst vor dem, was sie nicht kennen, und zögern, ob sie sich in das Labyrinth hineintrauen sollen oder nicht.“
Andere haben wieder Angst im Dunkeln, Angst vor bösen Worten, die an sie gerichtet sind, Angst davor, aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen zu sein oder zu werden, und Angst davor, das zu verlieren, das man liebt. Wunderbar ist auch die Aussage: „Manchmal haben wir Angst, weil die wahren Monster nicht unter unserem Bett lauern.“ Diese Texte sind klar, prägnant und mit viel Tiefe in ihren Aussagen formuliert. Die dazugehörigen Illustrationen erzählen die Geschichte mit eigener Bildsprache: ein Kinderkopf von hinten, Flugzeuge, die Bomben abwerfen, Zerstörung, wohin man schaut, dazwischen noch einige Häuser. Das ist es, was große Kunst kann: Gegebenheiten benennen, ohne sie mit „Krieg“ überschreiben zu müssen, das Wesentliche dabei so zum Ausdruck bringen, dass weitere Fragen möglich sind und dass Kinder weiterfragen. Ein wichtiges Buch für alle Kinder ab drei Jahren. Und weil das hier ja kein Krimi ist, verrate ich Max’ Antwort, der mittlerweile gemütlich bei Papa auf der Couch liegt, auf dessen Frage: „Und was für eine Geschichte würdest du gern hören?“
„Max überlegte eine Weile. Schließlich fragte er: Kennst du irgendeine … Gruselgeschichte?“
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Bilderbuch nicht (vor-)lesen:
Auseinandersetzung mit dem Thema in all seiner Vielschichtigkeit, auf den letzten beiden Doppelseiten noch einmal Zugänge zum Thema für Erwachsene, Einfühlsamkeit, Liebe zum Büchermachen.
Fran Pintadera:
wohnt in einem Tal, wo es nach Orangen duftet, und hat erkannt, dass all die Geschichten, die er schreibt, nicht aus seinem Kopf, sondern aus seinem Leben kommen.
Ana Sender:
kam 1978 in der Nähe von Barcelona zur Welt. Sie sei, so erzählt sie in ihrer Biografie, eine große Sammlerin von Ängsten – eine sei leuchtend rot wie frisches Blut, eine andere klein wie ein Reiskorn. Schöner kann man es sich eigentlich nicht vorstellen.
Fran Pintadera (Text) / Ana Sender (Illustration):
Was uns Angst macht.
Aus dem Spanischen von Ilse Layer.
Stuttgart: Gabriel Verlag 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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