Oma ist müde, aber auch die Ich-Erzählerin und ihre Freundin Heide sind erschöpft: Heides 14-jährige Tochter Etty wurde ermordet.
Wir werden immer müde bleiben
Gerade eben war Etty doch noch so fröhlich, da liegen noch die Fotos, quasi als stumme Zeugen des Glücks: Etty als Baby, Etty mit vier Jahren im Schwimmbad und Etty noch kurz vor ihrer Ermordung vor der Haustür. Die Ich-Erzählerin steht Heide bei, Heide steht ihr bei und dann ist da noch die Großmutter, mit der die Ich-Erzählerin das Grab des Großvaters besucht und noch weit mehr unternimmt.
„Soll ich ihm eine Zigarette hinlegen?, frage ich – Nee, nee, sagt Großmutter, wenn das jemand sieht! Gib mir lieber mal Feuer! Wir rauchen für ihn, aber nicht mit ihm. Er hatte ja sowieso aufgehört. Wenn auch zu spät.“
Zwischen den Stationen lässt sich die Erzählerin auch über ihren Job als Realisatorin aus – ja, das sei, so erklärt sie ihrer Großmutter, in etwa so etwas wie eine Regisseurin. Und ja, sie bereitet die Sendungen von „Bauer sucht Frau“ vor.
„Ich befinde mich auf einem Acker. Der Weg, der mich hierhergeführt hat, endet exakt da, wo ich jetzt stehe. Ich sehe eine Schubkarre, einen Traktor, ein Haus. Eigentlich ein schönes Bild, finde ich.“
Die einzelnen Protagonistinnen versuchen, ihr Leben irgendwie auf die Reihe zu bekommen – auch die Großmutter, die noch einmal die Beziehung zum Ehemann, dem Großvater klärt. Dann ist da noch der Bauer Olaf, den die Realisatorin ins Bild setzt. Und dazwischen befinden sich die inneren, aber auch realen Fotos von Etty, die Vergangenheit und die einzelnen Sequenzen des Alltags nach deren Ermordung. Gewalt, direkt vor der Haustür, ein jäher Abschied. Man hätte es – was genau ist es? – verhindern können. Schließlich ist Großmutter im Altersheim, sie findet es gut, dass ihre Enkelin sie besucht, aber nicht pflegen muss – pflegebedürftige Menschen nerven nämlich immer irgendwann.
Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen:
Beziehungen, Trauer, Auseinandersetzung mit Altern und Aufbrüchen, Familiengeschichte, Spannung, Empathie, Sprachlosigkeit, Castings, Humor, Verbundenheit und Liebe.
Marlen Pelny:
Jahrgang 1981, ist in Halle an der Saale aufgewachsen, Autorin und Musikerin und plakatierte deutsche Städte mit Lyrik. 2021 erschien ihr Romandebüt „Liebe/Liebe“, für das sie den Klopstock-Förderpreis erhielt.
Marlen Pelny:
Warum wir noch hier sind.
Innsbruck: Haymon Verlag 2023.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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