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03/25

Buchempfehlung: „Toxische Weiblichkeit“

Buchempfehlung: „Toxische Weiblichkeit“

Sophia Fritz öffnet einem die Augen – nicht sanft, nicht brutal, sondern genau so, wie man es braucht. Ein Buch über das neue feministische Miteinander.

Powerfrauen, Vanilla-Girls und dann noch man selbst

Sophia Fritz erzählt aus ihrer Jugend, man erinnert sich an Bravo und Labello, an die kritischen Blicke der eigenen Mütter: zu dünn, zu dick, zu kurzer Rock, zu langweilig gekleidet. Genau mit diesem Blick beginnt das hemmungslose und gnadenlose Kritisieren von sich selbst. Die, die laut ist, ist auf einmal zu laut. Da ist das stille, bescheidene Lächeln schon lieber, es gefällt ja auch der Freundin der Mutter besser. Und wenn man dann erwachsen zu sein glaubt, hält man still, wenn ein Typ bei einem Bananensplit mit einem Schluss macht. Die Wut, die kommt später, zuvor muss man doch dem Typen noch zuhören, warum er in eine andere verknallt ist. Sophia Fritz führt in einer Prägnanz, Stilsicherheit und mit herausragendem Stilgefühl durch die Literatur rund um ihr Thema: Allein die Literaturliste zeugt von ihrer Akribie, ihrer Lauterkeit und ihrem Engagement. Sie will es wissen, sie will es aufdröseln, sie will es erzählen: es, das neue feministische Miteinander. Im Kapitel „Das Opfer“ behandelt sie unter anderem „Victimshaming“ und „Empathie“, woraus das untenstehende Zitat stammt:

„Im Kampf um Gleichberechtigung kann uns das Bewusstsein für Ressourcen eine große Hilfe sein. … Als gefahrenbewusste Person kann ich soziale Räume besser lesen, bin sensibel für Stimmungen, habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und kann Situationen besser abschätzen. Es gibt Studien, die belegen, dass Männer häufiger sterben, weil sie sich in risikoreichere Situationen begeben.“
Seite 139

Am Ende ihres Buchs hält die Autorin fest, dass sie „toxische Weiblichkeit“ nicht als Vorwurf oder als Diagnose verstanden und schon gar nicht instrumentalisiert wissen will:

„… viel lieber möchte ich ihn als Herausforderung, als Mutprobe denken: Wer sich traut, sich seinen eigenen toxischen Verhaltensweisen zu stellen, befreit sich selbst. Do we dare?“
Seite 178

Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen:

kluge Erkenntnisse, klare Aussagen, viel Persönliches, das aber niemals anekdotisch wird, Schonungslosigkeit, Unterstützung, das eigene, leicht dümmliche Pleaser-Lächeln sofort einzustellen.

Sophia Fritz:

wurde 1997 geboren. 2021 erscheint ihr Debütroman „Steine schmeißen“, gefolgt vom Roman „Kork“ (2022) und der Erzählung „Frankfurter Kranz“ in der Anthologie „Glückwunsch“. Sophia Fritz arbeitet für die ZEIT ONLINE sowie unter anderem als Sterbebegleiterin im Hospiz.

Sophia Fritz:
Toxische Weiblichkeit.
Berlin: Hanser 2024.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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  • Veröffentlicht: 08.12.2024
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