Dacia Maraini blickt zurück – ohne Hang zur Nostalgie, wach und aufmunternd. In der Neuauflage ihres Debütromans „Tage im August“ liest sich das Jungsein, das Verwegene des Jungseins, die Schwüle an manchen Nachmittagen, die nach Algen und Jasmin duften, und das Heranwachsen einer jungen Frau mit einem ganz eigenen Reiz.
Der Schatten des Schattens
Man möchte, wenn man das Romandebüt der großen italienischen Autorin Dacia Maraini liest, sofort einen Campari trinken, sich eincremen und aufs Meer schauen. In diesem Roman gibt es jedoch auch immer wieder die mahnenden Stimmen, die vor Sex und Verkühlung warnen – vor letzterer ganz explizit.
Hier knistert und flirrt es, hier erlebt Anna den aufregenden Sommer 1943: Endlich kann sie mit ihrem Bruder das Nonnenkloster verlassen und die Ferien am Meer in der Nähe Roms genießen. Aber da ist mehr als die Freude am Meer und der Sonne, da ist das Ausprobieren des Lächelns, des Flirtens, da sind viele junge Männer, die sie anschauen. Und da sind die Gespräche über den Krieg, den so viele als schmutzig bezeichnen.
„Manchmal war das Pfeifen der Bomben zu hören, die Einschläge in der Ferne, und wir hielten uns ängstlich die Ohren zu.“
Während in Rom Bomben und Hunger die Tage prägen, können Anna und ihr Bruder das Meer genießen, immer mit dem Gedanken an das strenge Internat und die Schwestern, die mit ihren Antennen alles aufnehmen, aufspüren, was junge Menschen zu verbergen suchen. Eine explosive Mischung aus schwüler Erotik, lauernder Gefahr des Krieges, Andeutungen über weitere Entwicklungen und die Sehnsucht, endlich erwachsen zu sein, gespickt mit sexuellen Experimenten.
„Wir waren jetzt fast da. Ich spürte die Nähe des Internats, es war bereit, wieder nach uns zu greifen. Ich sah die Schwester lächelnd näherkommen, die gelblichen Zähne zwischen den roten Lippen, die grauen Härchen um die Augen, die uns forschend ansahen. Und die Hände, die sich nach dir ausstreckten, dich durchsuchten, dir jedes Geheimnis entrissen.“
Was Sie versäumen, wenn Sie diese Neuauflage des Romandebüts Marainis nicht lesen:
viel, sehr viel und dann noch einmal mehr – an Literaturgeschichte, an Historie, an Erkennen der Lebensumstände 1943, an Sehnsüchten und Hoffnungen, an Lust und Verwegenheit.
Dacia Maraini:
1936 in Fiesole geboren, in Japan und Sizilien aufgewachsen, war aufgrund der antifaschistischen Haltung des Vaters in einem japanischen KZ interniert. Sie ist eine Pionierin, die über Gewalt an Frauen schrieb und Drehbücher verfasste.
Dacia Maraini:
Tage im August.
Aus dem Italienischen neu übersetzt von Ingrid Ickler.
Wien/Bozen: Folio Verlag 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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