In diesem Sachbuch geht es in vielen Szenen, Begebenheiten und Überlegungen um Elternschaft aus „migrantischer“ Perspektive. Frisch, unverstellt, mit leisem Spott über sich selbst und auch über die anderen, die aus der Mehrheitsgesellschaft.
„Ich bin ja migrantisch“ – Erkenntnisse und Schlussfolgerungen
„Es ist beschämend, wie lange ich gebraucht habe, um zu realisieren, dass ich als Migrantin natürlich auch migrantisch erziehe.“
Wer hier aussteigt, versäumt viel, nämlich auch den realistischen Blick auf den Alltag, den Dreck, den dieser bringt, und auf die Leute, die diesen wegputzen. Und da ist er wieder, dieser kleine Spott bei der Aussage, dass AusländerInnen putzen – ja, Penner schreibt das so, verzichtet auf „migrantischen Hintergrund“, wie erfrischend! Die Autorin hat unzählige Studien und Zitate bekannter Autorinnen und Autoren zur Hand, wenn sie sich eines Themas annimmt. So etwa zitiert sie Olga Grjasnowa mit ihrem genialen Satz: „Die Deutschen ziehen ihre Schuhe nicht aus, weil sie ihre Böden nicht selber wischen.“ (Seite 37) Und schön führt uns die Migrantenmutti zum Thema Geld beziehungsweise Geldprobleme:
„Wir wurden nicht so erzogen, weil unsere Eltern seltsam waren, sondern weil unsere Eltern konstant in der Angst leben mussten, etwas bezahlen zu müssen, wofür kein Geld da war. Schon mal aufgefallen, dass Deutsche ohne Migrationshintergrund es lieben zu betonen, dass es keine Absicht, nur ein Versehen war?“
Eines der schönsten Kapitel dieses Buchs ist das über die „Kusengs“, Cousins, in denen die Russlandmennonitin von den Familien mit mehr als zwei Kindern erzählt: „Zudem sind die Kreise, welche die Familie zieht, bei Migras häufig besonders weit.“ (Seite 69)
Noch einmal: Die deutlichen Aussagen sind erfrischend, die Analysen bringen jeden weiter, der sich mit Migration und Integration beschäftigt. Humor sollte man schon haben, aber das ist ja generell eine gute Basis für die eigene Weiterentwicklung. Und ich habe mich selten so amüsiert, über das pralle Leben aus den Tasten einer selbstreflektierten Frau zu lesen. Danke, Mutti!
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen:
den Spiegel vorgehalten zu bekommen, irre witzige Szenen, Impulse zum Lachen und Nachdenken, Selbstironie zum Niederknien.
Elina Penner:
1987 geboren, liebt Gegensätze, hat in Bayern wie auch in Berlin studiert, lebt mittlerweile in ihrer ostwestfälischen Heimat und betreibt das Online-Magazin „Hauptstadtmutti“. Ihr erfolgreicher Debütroman heißt „Nachtbeeren“.
Elina Penner:
Migrantenmutti.
Berlin: Aufbauverlag 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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