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03/25

Buchempfehlung: „Im Unterholz“

Buchempfehlung: „Im Unterholz“

Sara Strömberg liefert eine wirklich verzweifelte Hauptperson, die mit sich und ihrem Platz im Leben ringt. Die Zeitung hat die Lokaljournalistin gekündigt, jetzt sitzt die Ich-Erzählerin wieder in Järpen, besucht ihren Vater im Altersheim, trinkt zu viel Wein, isst zu wenig und langweilt sich in ihrem Schul-Übergangsjob.

Elchblut, Gewalt, Verzweiflung – Zimtschnecken gibt’s später

Es ist die Exaktheit, mit der Vera Bergström die Klassen, die einzelnen SchülerInnen und vor allem die PädagogInnen beobachtet: Hier sind Krankenstände gut eingetaktet, hier springt sie ein, bietet kreatives Schreiben an und gähnt vor Langeweile, wie es die SchülerInnen tun. Doch dann wird eine Leiche gefunden, der „große“ Chef ruft in der Provinz an und Vera hat eine neue Aufgabe: recherchieren, recherchieren und sich mit den Leuten unterhalten. Was als kleine Geschichte beginnt, weitet sich zur umfangreichen Reportage aus.

Kursiv sind dazwischen Erinnerungen einer anderen Person aus einer anderen Zeit gesetzt: Ein junges Mädchen, Maria, alleingelassen mit der verzweifelten Mutter, will ein wenig Freude erleben. Auch hier geht es um Freundschaft, Schule und jene Personen, die Mirjam beziehungsweise Maria (sie hat ihren Namen geändert) Übles wollten, sie beschämten, ihr die Freundschaft kündigten. Sie hat wohl früh nach einer Jugendstrafe ein Kind, ein Mädchen, bekommen. Jetzt ist sie tot – aus Rache? Aber wer will sich an der Frau, die vor kurzem noch ein Mädchen zur Welt brachte, so brutal rächen?

„Hatte Maria ihren furchtbaren Fehler als Kind gemacht oder als Erwachsene? Sie hatte geschrieben, es habe sich immer so angefühlt, als könne man ihr die Scham äußerlich ansehen. Das klang, als wäre es schon ein Weilchen her. Ihr Leben glich einem Rätsel, das ich zu lösen versuchte, allerdings machte es mir den Zugang nicht gerade leicht und nahm ständig eine andere Gestalt an.“
Seite 242

Vera taucht in die Geschichte des ersten Opfers ein: Der besoffene Vermieter war es offensichtlich nicht, auch wenn die Spurenlage etwas anderes erzählt. Dass das Gemeindeleben in Järpen durchaus interessant ist, zeigt sich nicht nur in den Kulturangeboten und Flohmärkten, sondern auch darin, wie sehr sich manche BewohnerInnen für Vera interessieren, ihr Gutes tun und sie „integrieren“ wollen. Hier wird viel geredet, viel Kaffee getrunken, aber auch gesoffen, geliebt und viel verziehen. Ein tröstlicher Ort mit kantigen Charakteren, die einen aber in der Not nicht im Stich lassen. Man freut sich auf Veras zweiten Fall, schließlich hat sie dann doch schnell mit einem noch schnelleren Mail ihren Schuljob gekündigt. Schade, sie hätte den SchülerInnen wirklich viel beibringen können, übers Trauen, übers Scheitern und übers Aufstehen und Neuanfangen.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Krimi und die Aufbruchstimmung der Hauptperson nicht lesen:

Düsterheit in Järpen in der Provinz Jämtlan, Gewalt, Aufbruch, wenige FreundInnen, viel Alkohol und Kaffee, wunderbare Momente in der Natur, verworrene Familiengeschichten, viel Trauer und ein kleines Lächeln dazwischen, eine Heldin, die nicht aufgibt, die zu viel trinkt, zu wenig isst und dabei ist, nach der Kündigung ihrer Zeitung und ihrer öden Tätigkeit als Stützkraft in einer Schule wieder vom Boden aufzustehen.

Sara Strömberg:

Jahrgang 1978, lebt als Journalistin und Autorin in Östersund. Der vorliegende Roman bescherte ihr sofortigen Erfolg, unter anderem kürte die Schwedische Krimiakademie die Geschichte rund um die Journalistin Vera Bergström zum Debüt des Jahres. Auch die Verfilmung klingt vielversprechend.

Sara Strömberg:
Im Unterholz.
Aus dem Schwedischen von Leena Flegler.
München: blanvalet 2024.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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  • Veröffentlicht: 01.10.2024
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