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11/12/24

Buchempfehlung: „Dunkelkaltes Schweigen“

Buchempfehlung: „Dunkelkaltes Schweigen“

Dieser Kriminalroman könnte genauso gut ein Jugendroman, ein Entwicklungsroman oder ein Roadmovie im Kreisverkehr des Ortes sein: Jeder kennt hier jeden, die Vergangenheit darf nicht ruhen, die Reichen haben die Macht und die jungen Leute sollen am besten innerhalb ihrer Gesellschaftsschicht bleiben.

Strahlende Fassaden vor brüchigen Familien

Die Handlung erzählt der Autor anhand von Vor- und Rückblenden wie „Ein Jahr vor dem Mord“, „Der Mordtag“ oder „In der Nacht vor dem Mord“. So sichert er sich der LeserInnen Aufmerksamkeit. Hier wird viel vertuscht – je größer die Autos, desto gekonnter das Lügen und Vertuschen.

Trelleborg, Südschweden: Hier könnte man Midsommar feiern, Zimtschnecken essen und denken, dass alle SchwedInnen gut und die UrenkelInnen von Ida, Michel aus Lönneberga oder Pippa Langstrumpf sind. Aber Sasho ist garantiert nicht mit Michel aus Lönneberga verwandt, seine Verwandten kommen „vom Balkan“, er hat sich früh geprügelt, einmal so heftig, dass ihm das eine Freiheitsstrafe einbrachte. Und dann hieß es, dass ja bereits einmal ein Mann aus seiner Herkunftsfamilie eine Frau umgebracht hat und ihm Gewalt im Blut zu liegen scheint. Hier haben Sasho und Linda sich ineinander verliebt, haben geheiratet, ihren Niko bekommen und arbeiten seither zufrieden im Supermarkt. Linda war Klassenbeste, aber von Trelleborg wegziehen, das wollte sie nie. Ihrem Sohn Niko will sie beibringen, Probleme mit Worten und nicht mit Fäusten zu regeln. Da ist auch die wunderbare Amanda, Tochter der Reichen, überspannt, sich ritzend, verzweifelt und doch bereit, es ihren Eltern nicht so schwer zu machen. Und da ist auch noch ihre „Superschwester“ Isabella, Musterschülerin, Mustersportlerin und schon sehr lange mit Sixten, dem Langweiler, zusammen. Aber ein Kind von Traurigkeit ist der Langweiler Sixten dann auch wieder nicht. Hier braut sich eine Beziehungs- und Vertrauenskrise zusammen. So langsam scheinen alle verdächtig zu sein, alle haben nämlich ihre Geheimnisse, warum sie so erfolgreich sind, aber ihre Karrieren als Sportlerinnen aufgegeben haben und sich auf anderen Gebieten bewiesen haben.

„Die Sache mit Sixten war ein blöder Fehler gewesen, der sich niemals wiederholen würde. Sobald Amanda die Gelegenheit dazu bekam, würde sie mit ihm und Isabella reden. Sie hatte keine Wahl, obwohl Panik in ihr aufstieg, wenn sie nur daran dachte.“
Seite 106

Dass Isabellas und Amandas Vater Jari auch noch ein Geheimnis mit Sasho teilt und ihm nicht gern im Supermarkt begegnet, erleichtert die Arbeit des Kommissars nicht gerade. Und man sollte auf keinen Fall glauben, dass hier nicht alle ihre Geheimnisse haben. Die einen, weil sie mehr scheinen wollen, als sie sind, und die anderen, weil für sie Trelleborg einfach alles ist.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Krimi nicht lesen:

fette Lügen, riesige Lügengebäude, Einblick in Reich-und-Schön-bleibt-unter-sich, Familiengeheimnisse, zarte Lieben, berechnende Jungs in Designerkleidung, Erkenntnisse darüber, wie Generationen miteinander umgehen, ihre gesellschaftliche Schicht verlassen und aufsteigen wollen, Ideen von Integrität, Ehrlichkeit und Neuanfängen. Vielleicht ist Trelleborg für alle zu eng!

Mattias Edvardsson:

lebt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern außerhalb von Lund und war Gymnasiallehrer für Schwedisch und Psychologie. Seine Romane erklimmen die Bestenlisten. Er kann sein Handwerk, und es stimmt, was am Klappentext steht: „Edvardssons Handwerk ist der Grusel im Alltäglichen.“

Mattias Edvardsson:
Dunkelkaltes Schweigen.
Übersetzt von Annika Krummacher.
München: Limes Verlag 2024.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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  • Veröffentlicht: 26.10.2024
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