Liewe Cupido, genannt der Holländer, ist ein gewissenhafter Ermittler, ein Sturschädl mit viel Trauer in sich. Sein Vater kam auf See um – wie, das scheint ein bisher ungelöstes Rätsel zu sein.
Schuldgefühle und Schweigepflicht
Niederländische TouristInnen finden die Reste einer Leiche an der Küste Northumberlands. Die ExpertInnen entdecken Verbindungen zum Untergang des Pollux, eines untergegangenen Seeschleppers. Familie Derckx verbringt ihre Osterferien in Low Newton-by-the-Sea, einem kleinen Küstenort in Northumberland, und genießt die Tage: Zum Erlebnisprogramm sollte jedoch nicht gehören, dass die Zwillinge einen Totenkopf finden. Und schon rollen die Ermittlungen an, hier wie in Cuxhaven, wo Hermann Rademacher den nicht unumstrittenen Kommissar Liewe Cupido zu einem Gespräch, einem ernsten Gespräch sogar, bittet.
Die Fragen, was damals an Bord passierte, ob es auch Waffen- oder Drogenschmuggel gab, beschäftigen die ErmittlerInnen schon länger. So vermischt der Autor gekonnt den Tod Cupidos Vaters, der durchaus als mysteriös zu bezeichnen ist, mit anderen Geheimnissen an der Küste und am offenen Meer. Wortkarge Seeleute treffen hier auf nicht minder wortkarge ErmittlerInnen: Dass ein Vermittler vergiftet wird – keine Sorge, er überlebt den heimtückischen Anschlag –, lässt aber die Wellen hochgehen. Idyllen zwischen Geheimnissen, kantige Charaktere und verletzliche wie verletzte Männer ergeben ein beeindruckendes Panorama. Dazwischen gibt es auch Liebe, Affären und sehr selbstreflektierte Frauen – wäre ja auch fade, ganz ohne.
„Wenn die Welt, die man sich zurechtgeträumt hat, in Scherben fällt? Ich meine nicht wie bei einer Frau, die von einem untreuen Mann verlassen wird, einem armen, naiven Weibchen, das nicht ohne Mann zurechtkommt. … Nein, es war Verrat! Mein Vertrauen in alles und jeden ist zerstört, es war nichts von mir übrig, nichts! Aber was sollte ich machen?“
Ein Krimi für Geduldige, die Geheimnisse lieben, keine schnellen Ermittlungsergebnisse brauchen und gern in der Vergangenheit kramen: Dazu hört man das Meer rauschen und die Menschen murmeln – melancholischer kann man von Trauer, Hoffnung und Liebe eigentlich nicht erzählen.
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Kriminalroman nicht lesen:
Vater-Sohn-Beziehungen, einen sehr feinen Charakter, der nicht gewinnen will, sondern für Gerechtigkeit steht, witzige Diskussionen zwischen Deutschen und Niederländern, Männergespräche und Machtgerangel, viel Meer, viele Dünen und viel Treibgut, man spürt beim Lesen so manche Brise.
Mathijs Deen:
1962 in Hengelo geboren, ist Schriftsteller und Radioproduzent. Er lässt den deutsch-niederländischen Kommissar Liewe Cupido bereits in seinem 2023 erschienen Roman „Der Taucher“ ermitteln. Seine Romane wurden mehrfach ausgezeichnet.
Mathijs Deen:
Der Retter.
Übersetzt von Andreas Ecke.
Hamburg: mare 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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