Erkenntnisbringende Dialoge und Rückblicke setzen die einzelnen Puzzleteile dieser Geschichte zusammen: Sie handelt von einer Mutter-Tochter-Beziehung, von Liebe und Leidenschaft, von Ethik und Treue.
Ich wollte immer alles richtig machen
Johanna hat stets versucht, das Richtige zu tun, fleißig und ehrgeizig ihre Ziele zu verfolgen. Ihre ebenso ehrgeizige Tochter Elsa ist erfolgreiche Anwältin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag: zwei Frauen, die alles geben, um ihre Sache gut, sehr gut sogar zu machen – die Mutter bei humanitären Einsätzen auf der ganzen Welt und die Tochter bei gründlichen Recherchen. Das ist kein blinder Ehrgeiz, sondern das Bestreben, den Menschen zu dienen, das Gute zu schützen und zu forcieren. Aber Johanna weiß auch, wie hart ihre Tochter über sie und die vielen Tage ihrer Abwesenheit während Elsas Kindheit urteilt. Dann ruft die Tochter an und will, dass die Mutter ihrer Verhandlung beiwohnt, denn niemand kenne die Zustände in Liberia so gut wie sie.
„Ich konnte meiner Tochter nicht immer genau erklären, wo ich hinflog und warum es so lange dauerte, bis ich wieder zurückkam. Sie verstand noch nicht, warum viele Kinder in den Krieg ziehen mussten, anstatt zu spielen, oder wie eine Überschwemmung ein ganzes Land vernichten konnte. Sie kannte nur den rohen, sich wiederholenden Schmerz unserer Trennung.“
Die 60-jährige Johanna blickt auf ihre Reisen, ihre Arbeit und die vielen Einsätze auch mit Stolz zurück, und auch ihre Erinnerungen an Julian sind neu erwacht. Jetzt ist sie von New York nach Deutschland zurückgekehrt und wohnt im Haus ihrer Tante Toni, das diese ihr mit viel Freude und einigen kleinen Hintergedanken vererbt hat. Dass humanitäre Einsätze in Kriegsgebieten eben keine 8-Stunden-Tage sind, haben sowohl Tante Toni als auch ihre Freundinnen ihr immer wieder zu erklären versucht. „Mach Schluss mit deinen Schuldgefühlen!“, so der Tenor.
Ausgerechnet ihr Exmann Ralph teilt ihr mit, dass Elsa an einem Burn-out erkrankt ist und einen schweren Zusammenbruch hatte. Und ja, sie wäre eben nicht da gewesen, sonst hätte sie früher davon erfahren. Selbst jetzt noch hagelt es diese subtilen Schuldzuweisungen. Obwohl Johanna das Haus renovieren lässt, stimmt sie zu, dass Elsa zu ihr kommt. Johanna beschließt, nicht länger vor der Vergangenheit und ihren Geheimnissen wegzulaufen.
Erkenntnisbringende Dialoge und Rückblicke setzen die einzelnen Puzzleteile dieser Geschichte zusammen: Sie handelt von Liebe und Leidenschaft, von Ethik und auch von Treue. Es geht ums größere Ganze, auch wenn sich Tochter wie Mutter immer wieder in Details verlieren. Klar wird aber: Elsa hat sich stets angestrengt, um die Liebe und Anerkennung ihrer Mutter zu gewinnen und zu behalten. „Ich wollte dich!“, schreit die Tochter ihr entgegen und rückt so das Bild der eingeschworenen Gemeinschaft von Ehemann und Tochter ein für alle Mal zurecht. Und so steht auch einer innigen Liebe auf mehreren Ebenen endlich nichts mehr im Weg. Ein schöner Spaziergang in die Vergangenheit, ein Innehalten bei zahlreichen Stationen des Erwachsenenwerdens und interessante Frauenleben. Endlich Schluss mit Schuldzuweisungen: ein guter Plan!
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen:
Romantik, Liebe, verworrene Verhältnisse, Mutter-Tochter-Beziehung, -Krise und -Liebe, Haltung zeigen, Geheimnisse.
Melanie Levensohn:
ist in Darmstadt geboren, studierte Literatur und Politikwissenschaft, ist Sprecherin der WHO und lebt seit 2021 in der Schweiz.
Melanie Levensohn:
Der Morgen nach dem Regen.
Berlin: Inselverlag 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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