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Arbeit
04/05/25

Brauchen wir den Muttertag noch?

Brauchen wir den Muttertag noch?
Foto: Shutterstock

Er wird am zweiten Sonntag im Mai gefeiert. Der Handel freut sich, aber ist der Muttertag überhaupt noch zeitgemäß?

Der Muttertag stößt nicht überall auf Zustimmung – er sei veraltet, zu kommerziell, lautet die Kritik. Als Blumenhändlerin freuen Sie sich vermutlich übers Geschäft.

Elisabeth Hauer: Geschäftlich gesehen sind der Muttertag und die Woche davor extrem wichtig. In der Blumenbranche ist er nicht wegzudenken. Wir haben auch am Muttertag von 7 bis 11 Uhr geöffnet. Das macht mir nichts aus, ich mache meinen Job gerne. Daheim haben meine Kinder eine riesige Freude daran, mich zu beschenken. Mir ist wichtig, meiner Mama Danke zu sagen.

Frau Weikl, Sie sind Pädagogin. In den Koko-Kinderbetreuungseinrichtungen wird zum Muttertag nicht gebastelt. Warum?

Andrea Weikl: In den Koko-Einrichtungen wird der klassische Jahreskreis nicht so gelebt – egal, ob es sich um den Muttertag oder Weihnachten handelt. Wir arbeiten nach dem Konzept der Reggio-Pädagogik, also sehr kindzentriert, und die Projekte entstehen aus den Gedanken und Anregungen des Kindes. Wenn Fragen von den Kindern kommen, weil sie in den Blumengeschäften allerlei Herzen sehen, kann der Muttertag zum Thema werden. Manchmal wird er aber auch gar nicht thematisiert, wenn von den Kindern nichts kommt. Sollte ein Kind den Wunsch äußern, für Mama, Papa, Opa, Oma und andere Bezugspersonen etwas gestalten zu wollen, darf es das jederzeit tun, nicht nur vor dem zweiten Sonntag im Mai.

„Am Muttertag kommen alle zusammen.“
Elisabeth Hauer

Wie kommt das bei den Eltern an?

Weikl: Manche Eltern fragen schon, warum das so gelebt wird. Dann erklären wir es ihnen, und die Eltern können gut mitgehen. Manche entscheiden sich auch ganz bewusst für dieses pädagogische Konzept.

Hauer: Mir gefällt diese Idee gut!

Wie sieht der Muttertag bei Ihnen aus?

Hauer: Nach der Arbeit wird bei uns zu Hause im Garten gegrillt. Mein Partner hat vier Geschwister, am Muttertag kommen alle zusammen.

Gäste zu haben, ist schön, aber meistens auch mit viel Arbeit verbunden.

Hauer: Wir helfen alle zusammen, und an einem anderen Tag wäre es schwierig, dass sich alle Zeit nehmen können. Außerdem habe ich danach am Montag frei, dann kann ich ausspannen.

Wie ist das bei Ihnen, Frau Weikl?

Weikl: Ganz klassisch mit Blumen und Schokolade wird der Muttertag bei uns nicht gefeiert. Wenn meine Kinder einen Kuchen backen möchten, freue ich mich. Wenn es nicht so ist, ist es auch gut. Manchmal machen wir eine Aktivität, einen Spaziergang oder eine Wanderung, aber wir zwingen die Kinder nicht dazu. Ich bin auch schon alleine wandern gegangen. Im Grunde ist der Muttertag für mich ein Tag wie jeder andere.

„Der Tag sollte keinesfalls zu Ausgrenzung führen.“
Andrea Weikl

Braucht es keine Ehrung mehr für das, was Mütter leisten?

Weikl: Ich fände es wichtiger, die Eigenschaften, die hinter der traditionellen Mutterrolle stehen, in den Vordergrund zu stellen: die Fürsorge und das Miteinander. Die Rolle, die Müttern zugeschrieben wird, wird ja nicht nur von Müttern übernommen, sondern auch von Vätern, Großvätern und anderen Bezugspersonen. Wertschätzung sollte es nicht nur an einem Tag geben, sondern an jedem. Nichtsdestotrotz ist mir klar – und ich habe selber zwei Kinder –, dass die Care-Arbeit viel zu wenig geschätzt und gesehen wird. Insofern braucht es schon einen Tag, damit das wieder mehr ins Bewusstsein tritt.

Manche wünschen sich einen „Pride-Care-Day“, einen Tag, der die Sorgearbeit unabhängig des Geschlechts in den Mittelpunkt stellt, oder einen Elterntag, um die vielen unterschiedlichen Familienformen, die es heute gibt, miteinzuschließen: von Patchwork- über Adoptiv- und Pflegefamilien bis hin zu Regenbogenfamilien mit zwei Müttern oder zwei Vätern. Eine gute Idee?

Hauer: Ich fände die Idee eines Familientages gut – so, wie wir das schon leben.

Weikl: Der Tag sollte keinesfalls zu Ausgrenzung führen. Was ist mit all jenen, deren Mutter gestorben ist oder die keine Kinder bekommen können?

Hauer: Das sehe ich auch so. Manche Frauen möchten gerne Mama sein, aber es funktioniert nicht. Für sie ist der Muttertag sicher hart.

Weikl: Ich denke, viele verspüren auch einen Erwartungsdruck, wenn sie überall Blumen und Schokolade sehen: Sie meinen, sie müssten ihrer Mutter oder Schwiegermutter unbedingt etwas kaufen. Da wäre ein offenes Gespräch gut. Ich habe Verständnis für BlumenhändlerInnen, die um den Muttertag einen großen Umsatz machen. Aber ich frage mich, ob dieses Kommerzielle und Materielle die richtige Richtung ist. Mich persönlich berühren persönliche Geschenke, die von Herzen kommen, am meisten. Diese müssen nicht von den eigenen Kindern kommen, sie können auch von einer Freundin sein. Meine Tochter schreibt gerne Gedichte. Ihre Texte berühren mein Herz 1.000-mal mehr, als wenn sie mit ihrem Taschengeld etwas kaufen würde.

Hauer: Meine Kinder schenken mir gerne selbstgepflückte Blumen, mein Partner kauft meistens welche – beides bereitet mir große Freude.

Foto: privat

Andrea Weikl, Pädagogin und Bereichsleitung Koko Kinderbildung und -betreuung (koko.at)

Foto: privat

Elisabeth Hauer, Blumenhändlerin (bluetenbox.at)

Wer hat den Muttertag erfunden?

Der Muttertag hat seinen Ursprung in der frühen amerikanischen Frauenbewegung. Ann Maria Jarvis gründete 1865 den Mother’s Friendship Day mit dem Ziel, Mütter zu vernetzen und ihren Austausch zu fördern. 1907 organisierte ihre Tochter zu ihrem Gedenken einen Mother’s Memorial Day am zweiten Sonntag im Mai und verteilte weiße Nelken. Diese Idee des Muttertags kam so gut an, dass er sich als Tag des Dankes verbreitete.

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  • Veröffentlicht: 10.05.2025
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