Die Künstlerin und Bodypainterin Birgit Mörtl verwandelt Körper in Szenerien und erzählt durch sie Geschichten. Porträt einer fantasiebegabten Frau.
Nach einem Besuch bei Birgit Mörtl kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Künstlerin in einer bedeutend farbigeren Welt lebt und arbeitet als die meisten von uns. Vielleicht liegt es daran, dass sie gleich eingangs beschwingt erklärt: „Ich mache nichts Normales, am liebsten ausgefallene Sachen.“ Sie sagt auch, ihre Devise sei: „Mehr ist mehr!“
Also macht sie auch gleich „mehr“: Sie malt Bilder, gestaltet Skulpturen, fotografiert, entwirft Set-Designs für Werbung, Theater und Bühne oder Kostümausstattungen für Shows, Feste und Veranstaltungen aller Art. Außerdem ist sie zweifache Weltmeisterin im Bodypainting und hat 15 Jahre für Gery Keszlers „Life Ball“ gearbeitet. Birgit Mörtl liebt das Üppige, das Bunte, das Glitzernde, das Groteske und Fantastische. Das, was andernorts vielleicht als „overdecorated“ gelten mag, kommt ihr gerade recht.
Führt sie einen in ihre ebenso weitläufige wie vollgestopfte Werkstatt im Garten ihres Weinviertler Hauses, die ihr zugleich als Lager dient, fühlt man sich, als wäre man im Kostüm- und Ausstattungsfundus eines großen Theaters gelandet. Nur dass alles hier einer einzigen Person als Material für ihre Arbeit zur Verfügung steht beziehungsweise Ergebnis dieser Arbeit ist: Bis unter die Decke stapeln sich da Stoffe und Bänder, Masken und Figuren, Puppen und Pfauenfedern, Flohmarktfunde und Deko-Stücke, Kostümteile und Werkzeuge, prächtig und glitzernd, anziehend wie das kaleidoskopische Durcheinander einer märchenhaften Zirkuswelt. Birgit Mörtl lacht. Nur sie hat hier den Überblick. „Ich bin so ein Kunst-Messy! Ich hebe alles auf und arbeite auch vieles um.“ Und wann immer Zeit dafür ist, besuchen sie und ihr Mann jeden Flohmarkt, der ihnen unterkommt. Es ist eine Passion, die sie miteinander teilen, und eine, die man der fantasievollen Einrichtung ihres Hauses ansieht. „Wir sind echte Schatzjäger“, meint sie und deutet auf eine alte Glasvitrine auf hohen Metallbeinen, die sie dieser Tage auf einem Flohmarkt ergattert hat. Noch weiß sie nicht, wofür sie sie brauchen kann. Doch eines Tages wird ein Projekt daherkommen, für dessen Ausgestaltung oder Präsentation die Vitrine genau das Richtige sein wird.
Gerade arbeitet Birgit Mörtl an einem schaurigen „Herr der Finsternis“-Kostüm – mit schwarzem Umhang, viel dunkelrotem Kunstblut und einer Reihe von Deko-Elementen, die sie aus transparentem Flüssigkunststoff an einem ihrer Arbeitstische selbst gegossen hat. Das Kostüm ist eine Auftragsarbeit für eine private Halloween-Party in der Schweiz. Parallel dazu gestaltet sie gerade eine Reihe von goldstrotzenden Kostümen für DarstellerInnen, die demnächst im Rahmen einer großen Firmenveranstaltung als lebende Dekorationen durch die Räume eines Wiener Museums wandeln werden. Birgit Mörtl macht dafür nicht nur die Kostüme, auch die Körper der DarstellerInnen wird sie bemalen und mit Make-up ausstatten. Nicht, dass das für sie ein besonders ungewöhnlicher Auftrag wäre. Ungewöhnlich war, sagt sie, als sie einmal für eine indische Hochzeit einen Elefanten anzumalen hatte. Überhaupt, erzählt sie, seien die indischen Hochzeiten und arabischen Festlichkeiten, die sie immer wieder ausstattet, „oft sehr unwirklich, wie in einer Märchenwelt“. Nicht nur, aber auch, „weil man an Orte wie einen Maharadscha-Palast kommt, an die man sonst nie käme“. Zu solchen Anlässen reist sie mit einem Team aus MitarbeiterInnen, TänzerInnen und ArtistInnen an, die – von ihr szenisch entworfen und aufwändigst gestaltet – auf kleinen Bühnen lebendige Tableaus darstellen oder als Märchenfiguren aus Fleisch und Blut durch ein staunendes Hochzeitspublikum wandeln. „Ich kriege ein Thema und lasse mir dazu etwas einfallen. Das letzte war die Netflix-Serie ‚Bridgerton‘, aber ich hatte auch schon ‚Alice im Wunderland‘ oder ‚Harry Potter‘“, erzählt sie.
Ursprünglich hat Birgit Mörtl Theater- und Bühnenschneiderei gelernt. Daneben hat die heute 46-jährige Kärntnerin immer schon gemalt. Durch einen Freund kam sie bereits vor über 20 Jahren zum Bodypainting. „Es hat mich fasziniert, dass mein Kunstwerk lebt und herumgehen kann“, sagt sie. Die Kunst des Bodypainting steckte damals noch in den Kinderschuhen. Sie suchte sich alles, was sie dafür brauchte, selbst zusammen und machte Fortbildungen für Make-up, Airbrush-Techniken oder Special Effects. „Anfangs war Bodypainting total verrucht. Da hat es noch geheißen: ‚Die malt ja Nackerte an!‘ Mittlerweile wird es in Museen gezeigt.“ Einziger Nachteil: Es ist eine Kunst, die nicht über den Moment hinaus erhalten bleibt. Sie kann nur in Form von Fotos weiterbestehen. Auf diese Weise fand Birgit Mörtl zur Fotografie. Im Keller ihres Hauses ist ein Fotostudio eingerichtet. Dort hängt eine ganze Reihe von riesigen, auf Leinwänden affichierten Fotos ihrer Body-Art-Projekte. „Ich wollte immer aus dem Körper eine Kunstfigur machen. Für mich muss es immer eine ganze Szenerie sein. Ich will den Körper verwandeln.“ Darin unterscheidet sie sich von anderen Künstlerinnen und Künstlern, die im Bodypainting arbeiten. „Die meisten malen eine Geschichte auf den Körper. Ich will, dass der Körper selbst die Geschichte erzählt.“ Außerdem reizt sie die Kombination von Bodypainting und Kostüm.
Inzwischen sitzt Birgit Mörtl längst selbst in der Jury der internationalen „Bodypainting-WM“, die jedes Jahr im September – ausgerechnet ganz in der Nähe ihres Heimatorts Velden – in Kärnten stattfindet. Sie selbst ist zuletzt allerdings wieder mehr in Richtung Malerei und Skulptur gegangen. Sie sagt, das Leben habe es insgesamt äußerst gut mit ihr gemeint. „Für mich hätte es nicht besser laufen können.“ Es hat sich ihr eine Chance nach der anderen eröffnet – angefangen damit, dass sie direkt nach der Meisterprüfung zur Bühnenschneiderin schon ihren ersten Auftrag zur Ausstattung eines Musicals erhielt: „Sissy“ in Bad Ischl. Danach habe sie sich gleich selbständig gemacht und seither nie wieder etwas daran geändert. Aufträge hat sie zuhauf. Ihre Arbeit sieht sie nicht als Arbeit. „Es hätte mir nichts Besseres passieren können. Ich kann jedem nur raten, seinen Passionen zu folgen.“ Und die Passionen von Birgit Mörtl sind zahlreich.