Besuch von Eichhorn
von 5 bis 12 Jahren

Im Mai hab ich dem Wal einen eigenen Beitrag versprochen. Hier ist er: Mein Dank an das Buch, das mir heuer Frühlingsgefühle beschert hat. Ein Garten für den Wal ist kein Ort in der Unterwasserwelt, wo er sich schwimmend erholen kann. Toon Tellegens Wal wünscht sich einen Garten, um Besuch empfangen zu können. Er träumt von Eichhorn, der zu ihm kommt und auf seinem Rücken kaum Halt findet. Daher muss genau dort ein Garten her, mit einer Bank inmitten von Bäumen und Blumen. Einen Springbrunnen hat er ja schon.
Wie schön es ist, einen eigenen Garten zu haben, hab ich schon als junge Mutter damals noch mitten in Wien erlebt: Wir hatten das Glück, vor unserem Fenster auf einem schrägen Dach einen kleinen Topfgarten einrichten zu können. Und dort, im idyllischen Biedermeier-Innenhof, freute ich mich über jeden angeflogenen Samenschirm, jede Schafgarbe und Vogelmiere, die meine Blumenkästen bevölkerte. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man sich mit Besuch zum Kaffeetrinken hinaussetzen kann, auch wenn es nur auf ein schiefes Blechdach mit ein paar Blumentöpfen ist. Und dass auf riesigen Walrücken ebenso manche Samen anfliegen, etliches angeschwemmt wird und beinah unerklärlich tatsächlich etwas Pflanzliches wachsen kann, ist bekannt. Doch damit begnügt sich der Wal nicht. Er will einen richtigen Garten. Mit Bank.
Der Grashüpfer ist zur Stelle, nimmt die Bestellungen des Wals entgegen. Alles ist möglich, alles machbar, alles zu haben: Schaukel, Weißdornhecke, Sonnenschirm und Schuppen …
Endlich ist es geschafft. Und in welcher Pracht! Einen so zauberhaften Garten wie diesen hat das Meer mit all seinen Bewohnern noch nicht gesehen. Der Wal badet in der Bewunderung der Fische und genießt es, den Wind in den Bäumen und Sträuchern auf seinem Rücken rauschen zu hören. Dass Besitztum einschränkt, ein Garten Arbeit macht, sind Gedanken, die in mir auftauchen. Der Wal denkt weiter: Der Einzige, der nie auf meiner Bank sitzen und sich zurücklehnen und meinen Springbrunnen genießen kann, das bin ich. Was aber noch schlimmer ist: nie wieder soll er in die Höhe schießen und dann wieder tief nach unten tauchen? Nie wieder sich frei fühlen und übermütige Sprünge vollführen? Annemarie van Haeringen, die schon in ihrer Bilderbuch-Biografie „Coco Chanel“ (2014 Verlag Freies Geistesleben) die von engen Korsetts befreite Damenwelt witzig in Szene gesetzt hat, verleiht dem samt Garten in die Luft springenden Koloss mit lockerem Strich eine grazile Leichtigkeit, der man sich kaum entziehen kann.
Ein ungemein wertvolles Buch – eine Parabel über manches, was uns in unserem System der stets sofort erfüllten Wünsche beschäftigt. Und ein idealer Einstig ins Toon-Tellegensche Universum der zwischenmenschlichen Interaktionen, die er seit Jahren mit harmlosen kleinen Tiergeschichten erzählt.
Leider sind seine Bücher im deutschsprachigen Raum immer rasch vergriffen. Antiquarisch ist manches noch erhältlich. Übrigens, Eichhorn wurde bereits von etlichen Illustrationsgrößen bildlich charakterisiert: Wiebke Oeser, Axel Scheffler, Kitty Crowther, Ingrid Godon, Marc Boutavant und zuletzt Annemarie van Heringen haben ihn ins Bild gesetzt. Faszinierend, wie wandelbar der kleine Kerl ist! Immer authentisch und nah am Text scheinend, dabei ist es eine Seite von Toon Tellegens großer Kunst, der Illustration sprachlich so viel Freiheit und Autonomie einzuräumen.
Toon Tellegen
Ein Garten für den Wal
Mit Bildern von Annemarie van Haeringen
Von 5-12 Jahren
Gerstenberg 2016
Richtig dicke Freunde
Mit Bildern von Wiebke Oeser
Dtv Reihe Hanser 2001 – vergriffen
Briefe vom Eichhorn an die Ameise
Mit Bildern von Axel Scheffler
Hanser 2001 – vergriffen
Eichhorn und Ameise feiern Geburtstag
Mit Bildern von Kitty Crowther
Sauerländer 2003 – vergriffen
Morgen gibt´s ein Fest
Mit Bildern von Ingrid Godon
Sauerländer 2011 – vergriffen
Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen
Mit Bildern von Marc Boutavant
Hanser 2014 – lieferbar!