Bemerkenswert viele Redewendungen kreisen um die Luft. Wir bauen uns Luftschlösser oder reden nur heiße Luft, manchmal ist auch einfach die Luft raus. Ein Überblick.
Frischluft
Sie galt als so kostbar, dass sie sogar ärztlich verordnet wurde: Frischluft. Die Luftkur war im 19. Jahrhundert die Standardtherapie bei Tuberkulose. Dabei lagen die PatientInnen stundenlang auf Liegestühlen an der frischen Luft. Noch heute schmücken sich Orte, an denen Luftkuren abgehalten wurden, mit der Auszeichnung „Luftkurort“. Böse Zungen behaupten, es seien jene Orte, die außer Frischluft nichts zu bieten haben.
Lüften
Stoß oder quer, das Lüften ist in unserer Kultur felsenfest verankert. Erst wenn Menschen anderer Kulturen sich darüber lustig machen, fällt uns auf: Ja, wir lüften! Und wir sind stolz darauf! Es gehört zum alltäglichen Ritual, Hausverwaltungen veröffentlichen Pamphlete darüber, wie es korrekt zu vollziehen ist, und ein ungelüfteter Raum ist uns ein Graus. Deshalb lüften wir auch gerne das Geheimnis um die Kippfunktion unserer mitteleuropäischen Fenster für Unwissende aus aller Welt. Viva la Zirkulation!
Etwas liegt in der Luft
Man ahnt es schon, aber sieht es noch nicht. Es ist mehr ein Bauchgefühl, dass diese atmosphärische Spannung, die da herrscht, sich gleich entladen wird – vergleichbar mit der drückenden Schwere kurz vor einem Sommergewitter. Was auch immer „es“ ist, das in der Luft liegt: Sobald es sich in Blitz und Donner entladen hat, ist uns allen leichter ums Herz. Die Luft ist wieder rein.
„Du bist Luft für mich!“
Bei näherer Betrachtung ein echtes Kompliment – können wir doch ohne Luft kaum ein paar Minuten überleben. Auch wenn die Redewendung für das Gegenteil bekannt ist, plädieren wir an dieser Stelle dafür, sie zur ultimativen Liebeserklärung umzudeuten. Probieren Sie es bei nächster Gelegenheit aus!
Luftschloss
Bei vernünftiger Betrachtung: unrealistisch. Trotzdem sind es gerade jene Gebäude, die aus Luft errichtet werden, die uns die meiste Freude bringen. Das Luftschloss gehört damit vermutlich in die Kategorie „Vorfreude ist die schönste Freude“.
Luftikus
Achtung, Verwechslungsgefahr. Beim Luftikus, diesem leichtsinnig erscheinenden Geschöpf, handelt es sich nicht um eine durch die Luft zugeworfene Liebesbekundung. Wobei: Luftküsse wäre dem Luftikus durchaus und jederzeit zuzutrauen. Im gleichnamigen Kettenkarussell im Wiener Prater wurden – wetten? – schon beide beobachtet.
Hans Guck-in-die-Luft
Eine wahre Schreckensgeschichte, die uns Heinrich Hoffmann in seinem pädagogisch fragwürdigen „Struwwelpeter“ vom jungen Burschen zugemutet hat, der vor lauter Nach-oben-Schauen hinunter ins Wasser fiel. Diese Gefahr ist im Lauf der letzten 180 Jahre gebannt worden. Heute lauert die Gefahr weniger in der Luft als in der eigenen Hosentasche. „Hans Guck-aufs-Handy“ wartet auf seine Veröffentlichung.
Heiße Luft
Wir alle kennen doch zumindest eine Person, die viel redet, aber kaum etwas sagt. Solche ProduzentInnen von heißer Luft finden sich überall, ihre Versprechen haben sich noch nie erfüllt, sie sind völlig aus der Luft gegriffen. Ein gut gemeinter Rat: Halt die Luft an!
Die Luft ist raus
Auf der Fahrt in den Urlaub können wir es hautnah miterleben. Anfangs noch die pure Euphorie: Hurra! Hinein ins Auto und ab in den Süden, der Sonne hinterher! Die Reifen flitzen nur so über die Autobahn, der Fahrtwind dringt durch die geöffneten Fenster, was für ein herrliches Gefühl. Nach ein paar hundert Kilometern ist dann aber meistens die Luft raus. Der Rücken klebt am Sitz, die Getränke sind lauwarm, die Jause aufgegessen, das Meer noch so weit. Fehlt nur, dass ein Autoreifen sich erdreistet, es uns gleich zu tun. Schluss, aus, die Luft ist raus.
Die Luft ist rein
Wer schon einmal Teil einer Verbrecherband war, weiß, wie wichtig der Hinweis auf „reine Luft“ ist. Niemand zu sehen. Keine Gefahr, auf frischer Tat ertappt zu werden. Man muss aber nicht unbedingt eine kriminelle Vorgeschichte haben, um reine Luft schätzen zu können. Es reicht, sich als Teenager unerlaubt aus dem und wieder ins Haus geschlichen zu haben, ohne aufgeflogen zu sein.
Luft nach oben
Schöner kann man Unzufriedenheit mit einem Ergebnis nicht umschreiben. Statt festzustellen, dass etwas nicht gelungen ist, wird hier auf das Potenzial hingewiesen, das noch vorhanden ist. Wäre es nicht so beleidigend, man könnte sich direkt daran erfreuen.
In die Luft gehen
PilotInnen wie CholerikerInnen tun es. Die einen, weil es nun einmal zu ihrem Job gehört. Die anderen, weil sie scheinbare Kleinigkeiten so sehr aufregen, dass sie die Fassung verlieren. Was hilft, ist klar: tief Luft holen.
