Das Elternsein ist keine einfache Sache. Wenn Kinder langsam erwachsen werden, beginnt ein echter Balanceakt. Wie Chefredakteurin Melanie Wagenhofer lernt, ihre Tochter fliegen zu lassen.
Zwischen Mutter- und Vatertag denke ich an meine Eltern. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Mama und Papa hatten Potenzial, aber kaum Möglichkeiten. Unabhängig davon sind sie mutig ihren Weg gegangen, haben sich sehr jung trauen lassen, eine Familie gegründet, mit den eigenen Händen ein Haus gebaut – und die klassischen Rollen gelebt: sie Mutter und Hausfrau, er Geldverdiener. Und sie vertreten – seit 55 Jahren vertrauensvoll miteinander verbunden – so manche Ansicht, die man als traditionell bezeichnen könnte. All das hinderte sie nicht daran, ihren Kindern jene Chancen zu geben, die sie selbst nie hatten. Weil sie es uns zugetraut haben, uns unseren Freiraum gelassen haben. Gleichzeitig haben sie immer alles getan, um uns zu unterstützen.
Loslassen lernen
Als meine Tochter geboren wurde, haben sie sich rührend um sie gekümmert und mir ermöglicht, meinem Beruf nachzugehen. Die heißgeliebte Enkelin hat allergrößtes Vertrauen in die Großeltern entwickelt und eine wunderschöne, sichere Bindung aufgebaut.
Heute lassen viele elterliche Hubschrauber ständig den Rotor an, kreisen unentwegt um das Nachwuchsobjekt, auch dann noch, wenn dieses schon eigene Erfahrungen sammeln und sich entwickeln sollte. Unnötige Vorsicht und Ängste spielen dabei eine Rolle, manchmal auch Misstrauen. Im ständigen Lichtkegel trauen sich viele Kinder nicht viel (zu) und haben keine Möglichkeit, selbst Fehler zu machen und daraus zu lernen. Auch ich muss loslassen. Dieses Eingeständnis ist eine wichtige Selbsterkenntnis. Und siehe da, das Pflänzchen Vertrauen wächst! Danke, liebe Eltern!